
Die Mutter Courage der Gleichstellung tritt ab
Petra Willert hat schon geahnt, dass sie nicht so einfach davonkommt. Also stellte sie zwei Bedingungen für ihre Abschiedsfeier: Kein Schicki-Micki; am liebsten Stockbrot an der Feuerschale auf dem Weihnachtsmarkt. Und wer ihr ein Geschenk machen möchte, der werfe bitte etwas Geld in die Spendenbox des Kinderschutzbundes.
Rückblick ins Jahr 1990: Die Kommunalverfassung verpflichtet Kommunen und Landkreise, hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte zu ernennen. Quasi über Nacht wird die gelernte Wirtschaftskauffrau die erste Gleichstellungsbeauftragte der Stadt. Und eine der ersten im Land.
Als sie anfing, musste sich Petra Willert oft rechtfertigen. Was macht eine Gleichstellungsbeauftragte? Brauchen wir die Stelle überhaupt? Und dann auch noch hauptamtlich? Mit den Jahren musste sie immer weniger sagen. Mal ergriffen auch Wirtschaftsberater das Wort. Sorgten dafür, dass Netzwerke aus kommunaler Hand in private übergingen. Die Fäden behielt die gebürtige Berlinerin trotzdem in der Hand.
Knapp 25 Jahre später: Das Bastelzelt am Schlachtermarkt ist rappelvoll. Viele Frauen sind da; und nicht wenige Männer. Wegbegleiter und Wegbegleiterinnen. Freunde und Freundinnen. Politiker und Politikerinnen. Auch das sei Gleichstellung.
Nach all den Jahren gäbe es viel zu sagen. Über Petra Willerts Einsatz für Frauen in Not, für Lesben, Schwule und Transsexuelle, gegen ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern, das Ungleichgewicht von Frauen in Führungspositionen, für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Über Frauenbündnis. Frauenlauf. Unternehmerinnen-Stammtische. Frauenpension. Das Netzwerk „Frauen im Zentrum“ als Anlaufstelle für Frauen, die wohnungslos sind, vergewaltigt wurden oder im Job wieder Fuß fassen wollen. All das ist untrennbar mit ihrem Namen verbunden, die Zeit für jeden Redner vorsorglich auf fünf Minuten begrenzt.
Petra Willert kämpft für Frauenpower, lebt Frauenpower. Davon kann auch der Chef vom Nahverkehr ein Lied singen. Sich mit seinem Fahrplan gegen ihre Fahrwünsche der Frauenpower-Bahn durchzusetzen – zwecklos. „Sie ist die Mutter aller Spinnen in den Netzwerken, die Mutter Courage der Schweriner Gleichstellungspolitik“, sagt Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow.
Danke. Schade. Alles Gute. Wir sehen uns. Worte, die sich wiederholen. Worte, die von Herzen kommen. Worte, die Petra Willert berühren. „Ich wundere mich, dass ich noch nicht weine.“
Ungewohnt. Schön. Schön ungewöhnt. So stellt sie sich die ersten freien Tage im Januar vor. Sie freut sich darauf, mehr Zeit zum Fotografieren und Marathonlaufen zu haben. Darauf, Schränke und Keller auszumisten, zu renovieren. „Dann ist bestimmt schon das erste halbe Jahr rum.“
„Du kommst doch noch einmal bei uns vorbei, bevor du gehst?“ Natürlich kommt sie. „Und danach auch?“ Danach auch! Je mehr Hände sie zum Abschied schüttelt, umso voller wird ihr Terminkalender. Ihre Ehrenämter beim Technischen Hilfswerk, im Medienausschuss und bei der Verbraucherzentrale bleiben auch drin stehen. Still und heimlich davonschleichen? So einfach macht Petra Willert es sich selbst dann auch nicht.