Für „Onkel Eisenbahn“ ist der Zug abgefahren

  • Sylvia Kuska
Michael Bubert ist in der Szene bekannt wie ein bunter Hund. Sein kleiner Laden am Großen Moor ist das einzige Modellbahn-Fachgeschäft in der Stadt. Und der Region. Nun macht er dicht.
20.12.2014
Sylvia Kuska

„Nicht unterkriegen lassen“, sagt der ältere Mann zum Abschied. Er ist das erste Mal im Laden, aber nicht der erste, der Michael Bubert Mut macht. Es hat sich herumgesprochen in der Szene, dass der 56-Jährige sein Geschäft dicht machen wird. Vielleicht im Januar. Vielleicht im Februar. Nicht mehr im Dezember. Das Festlegen auf den Tag X fällt schwer.

Anzeige

Am Schaufenster rattern Güterzüge leise um eine kleine beleuchtete Stadt. Draußen drückt sich eine handvoll Kinder die Nasen an der Scheibe platt. Sie sind vier, vielleicht fünf. So alt wie Michael Bubert war, als er den Duft des Ölpapiers bewusst wahrnahm. In das waren früher Waggons und Loks eingewickelt. Der kleine Michael durfte sie nicht anfassen. Damit spielen auch nicht. Modelleisenbahn gab es nur, wenn der Vater mal vergaß, das Zimmer abzuschließen. „Das hat mir die Lust an dem Hobby genommen.“ Eine eigene Anlage hatte er nie.

Michael Bubert lernt am Theater, wird Facharbeiter für Dekorationsbau. „Eine rote Socke war ich auch“, sagt er lachend. Er mischte im Jugendzentralvorstand Gewerkschaft Kunst mit. War Ausbilder. Am Ende der DDR Hausmeister bei Mitropa. Die Wende kam, Mitropa ging. Ein neuer Job musste her. Die Eltern rieten: „Frag doch mal bei den Glüsings.“ Den Besitzern eines kleinen Modellbahnladens im Glüsinghof in der Mecklenburgstraße, dort wo heute Stoffe und "Kleines & Feines" verkauft werden. Wer fragt, gewinnt.

Die Steinkugel im Innenhof gab es damals schon. „Die Eisenbahn drumherum war ein beliebter Treffpunkt für Kinder.“ „Onkel Eisenbahn“ - Michael Bubert hatte schnell seinen Spitznamen bei ihnen weg. Und – inzwischen als studierter Modellbahntechniker – bei den „großen“ Kunden den Ruf, der einzige Modellbahn-Spezialist in Schwerin zu sein.

Das spricht sich bis zu Spiele Max herum. Mit dem Bau des Schlossparkcenters bekommt der kleine Laden in der Innenstadt Konkurrenz – und Michael Bubert Besuch. Der Mann trägt einen schicken Anzug. Lässt sich beraten. Geht. Kommt am nächsten Tag wieder. Am übernächsten auch. Dann stellt er sich als Personalchef der Unternehmenskette vor, macht ein Angebot. Michael Bubert lehnt nicht ab, geht 1998 hin und zwölf Jahre später wieder weg.

2012 eröffnet er seinen eigenen Laden. „Wer, wenn nicht du?!“, machen Frau und Tochter Mut. Nach Querelen mit dem Vermieter zog er vor einem Jahr von der Buschstraße zum Großen Moor. Die Kinder vom Glüsinghof kommen inzwischen mit ihren Kindern. Der Kundenstamm wuchs stetig. Auch, weil es im Umkreis kein anderes Fachgeschäft für Modelleisenbahner gibt. „Das nächste ist in Rostock.“ Selbst im fernen Köln halten ihm ehemalige Schweriner die Treue. Paketdiensten sei dank.

Trotzdem soll in ein paar Wochen Schluss sein? „Für große Eisenbahnfirmen bin ich zu klein und damit uninteressant. Doch gerade die brauche ich im Sortiment“, sagt er. Vor ihm steht eine Diesellok. Spurweite TT. 40 Jahre alt, ein Liebhaberstück, aber voller Öl. Michael Bubert öffnet sie, löst die Platten, Räder, Zahnräder. Reinigt sie. Setzt die Teile wieder zusammen. Filigrane Handarbeit, die dauert und Preis und Leistung eine schlechte Beziehung eingehen lassen. Und dann sei da noch sein stärkster Konkurrent: das Internet. „Sie glauben gar nicht, wie viele Kunden sich ausführlich im Laden beraten lassen – dann aber im Internet kaufen. Zu Preisen, mit denen ich nicht mithalten kann.“ Auch deshalb, weil die Firmen ihm einen Preis vorgäben, den er nur um wenige Prozent über- oder unterschreiten dürfe. „Irgendwann kommt der Punkt, da muss man Aufwand und Nutzen realistisch einschätzen.“

Deshalb ist in wenigen Wochen Schluss. „Aber unterkriegen lasse ich mich davon nicht“, verspricht er nicht nur dem älteren Herrn beim Abschied.