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Da haben wir das Salädchen!
Berno Thim hat Mut. Sein Mut sitzt hinter vier bodentiefen Fenstern, trägt Grün und Beige, helles Holz und viel Licht. Die Fensterrahmen halten Bartresen. Wer es weicher mag, nimmt einen Sessel. Und dann: Mahlzeit!
Halb zwölf. Die ersten Büros machen Mittagspause. Lisa und ihre Kollegen wuseln hinterm Tresen herum. Es gibt Salat. Salat. Salat. Salat. Ofenknollen. Der Gast bestimmt die Zutaten. Lisa und ihre Kollegen mischen. Nur die Suppen, die sind schon fertig. Auf den ersten Blick scheint das Salädchen in der Wismarschen Straße eine Snackstube von vielen zu sein.
Auch Felix und Peter Heinzmann haben Mut. Sie arbeiten in Marburg, vergeben dort mit ihrer Salädchen-Franchise-Firma die Lizenzen für die Snackbars. Zehn Franchise-Filialen verteilen sich schon über Deutschland. Eines Tages sitzt Berno Thim vor ihnen. Er hat Lust auf eine Kooperation. Jedoch nicht als Privatperson, die einen neuen Job sucht. Er kommt von den Ramper Werkstätten, einer gemeinnützigen Einrichtung unter dem Dach vom Diakoniewerk Neues Ufer. In den Werkstätten arbeiten Menschen, die ein körperliches oder geistiges Handicap haben, auf dem normalen Arbeitsmarkt kaum vermittelbar sind. Ihnen möchte er in Schwerin eine neue Perspektive geben. Die Marburger Geschäftsführer atmen zuerst tief durch. Nach mehreren Gesprächen geht’s mit Filiale Nummer elf mutig voran. Am 15. September wird der Laden eröffnet, da, wo man in Richtung Stadthaus biegt.
Als Privatunternehmer hätte Berno Thim zwei Verkäufer oder Verkäuferinnen gesucht, die Bestellungen aufgeben, Salate zubereiten und die Kasse bedienen können. Die Bewerber mit den besten Referenzen hätten das Rennen gemacht. Ein Privatunternehmer hätte auch nicht nur bis 15 Uhr geöffnet und am Wochenende nicht geschlossen. Im Schweriner Salädchen ist das anders. „Hier ist die Devise: Wie können wir die Arbeit so aufteilen, dass sie zu dem passt, was unsere Leute aus der Werkstatt leisten können?“ Inklusion ist das Stichwort, raus in die Gesellschaft der Weg. Wenn es sein muss, kümmert sich einer eben nur um die Kasse.
Am Ende ist es ein Dreierteam geworden. Lisa ist seit der Eröffnung dabei, froh, jeden Tag arbeiten gehen zu können. „Ich muss mich beschäftigen.“ Am Ende des Monats gibt es dafür zusätzlich zur Hilfe zum Lebensunterhalt einen kleinen Lohn.
Der Mittag erreicht seinen Höhepunkt. Die freie Sicht auf den Tresen verschwindet hinter der hungrigen Menschenschlange. Frank Wunderow übernimmt die Kasse. Er leitet die Gruppe, hat den letzten Blick und manch erklärendes Wort, wenn es Kunden in der Kürze der Mittagspause mal nicht schnell genug geht.
Wer am Ende des Raumes in die Sessel sinkt, blickt links mitten in eine Menge Platz. Ein Bilderrahmen auf dem gemauerten Raumteiler kündigt an: Hier entsteht ein evangelischer Kirchenladen. Mit Selbstgemachtem aus den Ramper Werkstätten. Mit Veranstaltungen, Lesungen. Los geht’s am 23. Januar. Irgendwann soll auch noch die Schauwerkstatt zum Stuhl- und Korbflechten hier einziehen.
„Wann war das letzte Mal, dass du etwas zum ersten Mal gemacht hast?“, wirft einer der Bilderrahmen von der Wand. Nur Mut!