Mvgida und die Werbung in anderer Sache

19.35. „Sie kommen“, ruft jemand aus den Zuschauerreihen. Es ist Montag. Die Stadtvertreter sind gerade bei Tagesordnungspunkt 15, diskutieren über den Verbleib von Hochhäusern im Eigentum der WGS. Wer kommt? Die Mvgida-Leute. 350 marschieren auf den Markt. Ein paar von ihnen lassen sich einspannen, ohne dass sie es wissen. Für etwas ganz anderes.
27.01.2015
Matthias Hufmann

Aus dem Rathaus zieht die Gegendemo nach unten. Die meisten Stadtvertreter sind dabei, in losen Reihen, mehreren Grüppchen. 12-15 stellen sich nebeneinander auf, vor sich ein Banner, das zeigt, wofür sie hier stehen: Für ein tolerantes und weltoffenes Schwerin.

Selbstverständlich kommt die Botschaft nicht an. Vor ihnen holen die Organisatoren der islamfeindlichen Demo zur Kundgebung aus. In der Mitte der Wagen samt Mikrofon. Drumherum die Anhänger. Unter ihnen NPD-Fraktionschef Udo Pastörs und der bekannte Neonazi Thomas Wulff aus Hamburg. Genau wie vor zwei Wochen. Nur Fackeln sind diesmal nicht erlaubt. In den Reden geht es um Salafisten, Islamisten und die - Lügenpresse.

„Lü-gen-pres-se! Lü-gen-pres-se!“ Der Reflex ist nicht verloren gegangen seit der Premiere. Fünf, sechs Sekunden im Chor. Dann wieder Rede. Die meisten Mvgida-Leute hören zu, warten auf ihren Einsatz. Andere leuchten - bis zur Ermahnung durch die Polizei - mit LED-Leuchten Richtung Rathaus. Aus dem ersten Stock gucken ein paar Stadtvertreter herunter. Von oben sehen sie, wie Angelika Gramkow mit einem bärtigen Enddreißiger diskutiert. Über Duzen und Siezen. Schwerin oder nicht Schwerin. Asylbewerber hier, Asylanten da. „Ich könnte mich totlachen“, sagt ihr Gegenüber. Sie antwortet: „Wäre doch schade.“

Polizisten beobachten den Markt, einschreiten müssen sie nicht. Auch nicht, als die Demo um 20.15 Uhr weiterzieht. Ein paar Beleidigungen, ein paar böse Blicke noch, „Wir sind das Volk!“ darf nicht fehlen. Dann zur Siegessäule. Die Stadtvertreter kehren zur Tagesordnung zurück. Der Antrag zum Verbleib der Lankower Hochhäuser wird in die Ausschüsse verwiesen.

Fast drei Stunden zuvor hatten die fünf Fraktionen der Stadtvertretung einen gemeinsamen Text verabschiedet, der wortreich das ausschmückte, was in Kurzform auf dem Banner stand. Stadtpräsident Nolte durfte den Text gleich zweimal vorstellen. Im Rathaus. Und eine dreiviertel Stunde später auf dem Alten Garten.

Knapp 350 Leute waren dorthin gekommen. Sie hörten:

Erwin Sellering, der für ein weltoffenes Land warb.

Stephan Nolte, der für ein weltoffenes Schwerin warb.

Und Gramkow, die sowieso.

Der Regen prasselte nieder. Als Heiko Lietz sprechen wollte - Kurzschluss. Kein Mikro. Kein Verstärker. Kein Licht. Nichts ging mehr. 5 Minuten lang. Die Mvgida-Anhänger - jede Menge Was-tun-ohne-Hansa-Männer, jede Menge Rechtsextreme, ein paar Regenschalvermummte, wenige Frauen - hatten ihren Spaß. Sie sammelten sich gerade zur Demo nach der Gegendemo.

Als sie loszogen, machten einige Werbung für mvgida.de. Die Schilder hatte man ihnen in die Hand gedrückt. Heute werden sie sich wundern, was auf der Seite steht. Der Aufruf zur Umkehr. Die Seite ist ein Fake. Aber mit Inhalt.

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