Wenn der Glasbläser in Schwerin herumeiert...

  • Sylvia Kuska
    Alle Jahre wieder zu Weihnachten, Ostern, Muttertag: Glasbläser Kalook Wollny ist ein alter Bekannter in der Marienplatzgalerie (Bild 1 von 8).
  • Sylvia Kuska
    2000 Eier hat er für Schwerin mundgeblasen. Das Glas kommt aus der Glashütte Lauscha.
  • Sylvia Kuska
    Aus dem Rohling ein eigenes Kunstwerk zu machen, ist kinderleicht: Anmalen. Föhnen. Fertig.
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    Noch einmal in die Flamme halten, damit aus dem Stiel eine Öse wird.
  • Sylvia Kuska
    Kalook Wollny macht auch Schmuck. Der wird nicht geblasen, sondern von Hand geformt.
  • Sylvia Kuska
    Die Schere gibt dem Herz seine Form.
  • Sylvia Kuska
Nach Kalook Wollny kann man die Uhr stellen. 1000 Grad heiß schießt die Flamme aus dem Brenner vor seinem Bauch. Wenn das Glas in der Mitte wie Wachs in seinen Händen ist, pustet er hinein. Zum Muttertag wird’s ein Herz. Zu Weihnachten eine Kugel. Jetzt eiert er herum.
14.03.2015
Sylvia Kuska

Als Kalook Wollny seine Zukunft in 180 Briefumschläge steckt, ahnt er nicht, dass er tatsächlich aus seiner Not eine Tugend macht. Handgemachte Glaskunst ist nicht mehr so gefragt wie früher. Die Leute haben schon alles oder kaufen lieber günstigere Massenware. Großhändler ziehen sich zurück. Die kleine Glasbläserei von Kalook Wollny im sächsischen Belgern hat es zunehmend schwer. „Ich wusste, wenn ich jetzt nichts unternehme, sitzen wir in fünf Jahren ohne Arbeit da.“

180 Einkaufscenter im Norden, Osten, Süden, Westen erhalten 2009 Post von ihm. Darin schlägt der Glasbläser vor, zu ihnen zu kommen. Mit Glas, einem Brenner und ein paar Tagen Zeit. Er bietet an, für jederman sichtbar Glas zu blasen. Wer will, kann es bemalen und mit nach Hause nehmen. Drei Center seien damals bereit gewesen, sich das etwas kosten zu lassen, erzählt er. Heute, gut fünf Jahre später, ist Kalook Wollny die Hälfte des Jahres mit seinem Stand im Norden, Osten, Süden, Westen unterwegs. Vormittags drängen sich Kindergartengruppen um die Basteltische, nachmittags Kinder mit ihren Müttern. 

Mehr als ein Dutzend Mal sei er nun schon in Schwerin gewesen. Viel mehr als das Untergeschoss des Einkaufszentrums habe er aber noch nicht von der Stadt gesehen, sagt er. Morgens um acht deckt er den Stand ab. Wenn ihn die Rolltreppe abends wieder über Tage bringt, eilt er zu Töchterchen Skylar-Novalie. Das Schicksal hat ihn vor zwei Jahren zum alleinerziehenden Vater gemacht.

Der 53-Jährige kommt aus Sachsen, und das hört man. Aber auch in Torgau, seiner Geburtststadt, war „Kalook“ sicher kein typischer Vorname? „Stimmt! Mein Vater kommt aus dem Irak.“ Kalook, das bedeute so viel wie „guter Charakter“. 

Eine Frage des Charakters sei es für ihn, seinem Handwerk treu zu bleiben. Ganz traditionell, ohne Maschinen. 2000 Eier hat er für die Osteraktion in Schwerin mundgeblasen. Geht das nicht mächtig auf die Gesichtsmuskeln? „Nee, auf den Rücken!"

Das ungewöhnlichste, das seine Puste je geformt hat, sei ein Glasbaum mit 300 Blättern gewesen. Das größte, was er noch formen möchte, ist der Berliner Märchenbrunnen. Bevor er dafür Zeit findet, wird er aber vermutlich noch so manches Mal in Schwerin herumeiern.