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Ach Gottchen, Stadtvertreter!
Wie Nottebaum im vergangenen Jahr wurde Ruhl am Montagabend erst im zweiten Versuch bestätigt. Er wird ab September neuer Dezernent für Finanzen, Jugend und Soziales. Gewählt für acht Jahre. Und zwar holprig gewählt. Mit 23 Ja- von 40 Stimmen gerade so geschafft. Im ersten Durchgang hatte es 16-mal Nein und 6 Enthaltungen in geheimer Wahl gegeben. Die Blumen für Ruhl mussten um 17.30 Uhr wieder rausgetragen werden.
Zehn Minuten später hielt er den Strauß dann doch in der Hand, nahm die Wahl an und konnte sich vor Gratulanten kaum retten. Oberbürgermeisterin Gramkow mit Geschenk, der Stadtpräsident, die SPD-Fraktion, die Fraktionschefs der anderen Parteien - und jeder gemeinsam mit dem 49-Jährigen vor den Kameras von NDR, SVZ und TV Schwerin. „Ein schwieriger Start“, sagte Ruhl trotzdem. Und nicht frei von unfreiwilliger Ironie: „Ich danke der Stadtvertretung für das Vertrauen.“
Was Dieter Niesen in diesem Moment dachte? Er hatte sich bei den Wahlgängen zurückgezogen, saß erst hinten am Tisch der Personalrätin, dann wieder vorn auf seinem Platz. In einer verwaisten Reihe. Niemand beachtete ihn, alle suchten die Hände von Ruhl. Vermutlich schüttelte es ihn. Gratuliert hatte er bereits, als sein Nachfolger noch unter den Zuschauern saß. Pflicht bei der Kür des Anderen.
Ruhl. Verwaltungserfahren. Medienreferent, Pressesprecher, Leiter der Zentralen Steuerung für Haushaltssicherung, stellvertretender Hauptamtsleiter, seit 2013 Leiter des Amtes für Finanzen. Mehr als 20 Jahre in Schwerin. Musiker und Vorstandsmitglied beim FC Mecklenburg, schob die Pressestelle am Montag hinterher - damit es nicht nur Verwaltung ist.
Er war die sichere Nummer, Niesen - er hätte gern weitergemacht - die unsichere. Die Linken hatten signalisiert, dass der amtierende Dezernent nicht länger tragbar wäre. Zwischen ihm und Gramkow (Linke): Das ging gar nicht mehr. Was der SPD missfiel: Neben OB und Nottebaum wurde Niesen kaum wahrgenommen.
Deshalb Ruhl. Gewünscht hatte sich die SPD ein glattes Wahlergebnis. Die Sozialdemokraten taten einiges dafür. Vor allem aber: nichts gegen Nottebaum. Der hat die irrwitzige Änderung der Vorfahrt und damit die gefährliche Kreuzung in der Hagenower Straße zu verantworten. Es gab Unfälle, Verletzte. Anderswo wäre er massiv in die Kritik geraten. In Schwerin jedoch stand eine Wahl an - und die SPD hoffte auf die Zustimmung von Nottebaums CDU.
CDU. Linke. SPD. Zusammen 31 Sitze. Ein paar Stadtvertreter fehlten am Montag. Eine Mehrheit für Ruhl wäre trotzdem gleich drin gewesen. Eine Mehrheit auch für die Schweriner Balance, in der jede der drei großen Parteien einen Dezernentenposten erhalten soll, und zwar mit Zustimmung der jeweils anderen beiden. Nur: In Schwerin werden (geheime) Wahlen für Abrechnungen genutzt. Für Revanche. Watschn. Bei Nottebaum war das so, bei Ruhl ebenfalls.
Im zweiten Durchgang ist dann alles wieder gut. Und die Bockigkeit raus.