Ermittlungen nach Badeunfall

  • dieschweriner
„I miss you“, steht auf dem rosa Plüschherz. Daneben Rosen, Kerzen. Drei kleine Schutzengel stecken im Sand. Da, wo am Mittwoch ein kleines Mädchen beim Baden verunglückte. Der Unfall am Zippendorfer Strand ist trauriges Stadtgespräch. Wie konnte es zu dem Unglück kommen? Warum war der Strand nicht bewacht? Hätte dies das Schlimmste verhindern können? Fragen über Fragen am Tag danach.
23.07.2015
Sylvia Kuska

„Die Kollegen, die vor Ort waren, sind tief betroffen“, sagt Steffen Salow hörbar bewegt. Der Sprecher der Schweriner Polizei ist der erste, den wir am Morgen nach dem Unglück nach neuen Erkenntnissen fragen. Er verweist uns an die Staatsanwaltschaft. Sie hat die Ermittlungen übernommen und jetzt die Informationshoheit. „Wir stehen ganz am Anfang“, sagt Oberstaatsanwältin Claudia Lange. Im Zentrum steht die Frage: Hat jemand seine Aufsichtspflicht verletzt und wenn ja, wer? Die Vierjährige wurde am Mittwochnachmittag am Strand vermisst und später leblos im Wasser gefunden. 
Sie soll nun obduziert werden. Das sei, so die Oberstaatsanwältin, in solch einem Fall üblich. Augenscheinlich spreche zwar viel dafür, dass das Kind ertrunken sei. Die Untersuchung soll aber auch Aufschluss darüber geben, ob ein gesundheitliches Problem vorgelegen haben könnte.

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Nur zwei von zwölf Rettungsschwimmern verfügbar

Der Zippendorfer Strand ist eine von drei Badestellen in Schwerin, die im Sommer im Auftrag der Stadt von ehrenamtlichen Rettungsschwimmern überwacht werden. Täglich. Von 10 bis 18 Uhr. Mindestens zwei Leute. So sieht es der Vertrag zwischen den Stadtwirtschaftlichen Dienstleistungen Schwerin und der DRK-Wasserwacht vor. Der gilt seit 2009, schließt das Freibad Kalkwerder und seit vergangenem Jahr in den Sommerferien auch das Südufer des Lankower Sees ein. Auch das Rettungsboot der Wasserwacht muss besetzt sein. Summa summarum würden pro Tag zwölf Rettungsschwimmer benötigt, heißt es. 

Kann die Wasserwacht die Betreuung personell nicht absichern, muss sie das laut Vertrag der Verwaltung melden. So geschehen auch am Mittwoch. Da waren den Angaben zufolge nur zwei Rettungsschwimmer verfügbar – aber nicht in Zippendorf stationiert. In dem Fall gilt laut Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow für den Strand: Die Flagge, die anzeigt, dass der Rettungspavillon besetzt ist, wird nicht gehisst und gebadet wird auf eigene Gefahr. So sehe es die Strandordnung vor.

Es ist nicht das erste Mal, dass die DRK-Wasserwacht nicht genügend Rettungsschwimmer hat. Deshalb musste in dieser Saison auch das Freibad Kalkwerder an manchen Tagen schon geschlossen bleiben. Massive Personalprobleme? „In Dimensionen wie am Mittwoch war uns das nicht bekannt“, sagt die Oberbürgermeisterin am späten Nachmittag auf einer Pressekonferenz. Sie wolle nun das Gespräch mit dem DRK suchen. Die Wasserwacht habe der Stadt aber bereits zugesichert, am kommenden Wochenende und in der Zeit danach eine Mindestbesetzung für alle drei Badestellen von jeweils zwei Rettungskräften sicherzustellen.
So oder so entbindet das aber Eltern oder andere Begleitpersonen am Ende nicht von der Aufsichtspflicht für ihre Kinder. 

Wir baten auch die DRK-Wasserwacht um ein Gespräch, verabredeten uns mit einem verantwortlichen Mitarbeiter. Ein Kollege vom DRK-Kreisverband stieß dazu. Wir ließen uns das Problem, genügend ehrenamtliche Helfer zu finden, schildern; fragten, inwiefern eine Anwesenheit am Strand möglicherweise Einfluss auf das Geschehen am Mittwoch hätte gehabt haben können und sprachen über die Arbeit eines Rettungsschwimmers. Wir erhielten auf alles Antworten. Das DRK zog sie dann aber wieder zurück – weil wir unseren Text dem Kreisverband, ganz im Sinne von unabhängigem Journalismus, nicht vor der Veröffentlichung zum Lesen vorlegen wollten.

Update: Obduktion abgeschlossen
Demnach ist das Mädchen ertrunken, wie die Staatsanwaltschaft am Freitag mitteilte. 

 

Gewusst I: 
Das Zippendorfer Ufer ist eine Sinuskurve

Der Zippendorfer Strand ist bei Familien beliebt. Wegen des Sandes – und weil das Wasser im Uferbereich augenscheinlich weithin schön flach ist. Was viele nicht wissen: Das ist nicht am ganzen Strand so. Der flache Bereich verläuft ähnlich einer Sinuskurve. Am Strandanfang, auf Höhe des Parkplatzes und Imbisses, geht es weit flach hinein. Je näher man dem Holzschiff kommt, desto schmaler wird der seichte Bereich. Weiter hinten nimmt er dann wieder zu.

Gewusst II:
15 Euro für einen ganzen Tag Aufsicht

Ganz gleich ob an den Badestellen in der Stadt oder an der Küste: Die meisten Rettungsschwimmer arbeiten ehrenamtlich. Und: Zuständige Organisationen wie DRK-Wasserwacht oder Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) haben in ganz MV Probleme, genügend Freiwillige für diese Aufgaben zu finden. Ein Grund: Die Aufwandsentschädigung für die hohe Verantwortung ist nicht sehr hoch. In Schwerin wird ein Tag als ehrenamtlicher Rettungsschwimmer mit 15 Euro vergütet.

Mädchen stirbt bei Badeunfall in Zippendorf