Volksentscheid: So haben die Schweriner abgestimmt

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Der Volksentscheid ist gescheitert. Laut vorläufigem Ergebnis haben 23,7 Prozent der Wahlberechtigten in MV abgestimmt. Mindestens 33,3 Prozent hätten sich gegen die Gerichtsreform aussprechen müssen. In der Landeshauptstadt war die Beteiligung unterdurchschnittlich.
06.09.2015
dieschweriner

15.069 von 77.050 Wahlberechtigten haben hier am Sonntag den Weg in die 40 Wahllokale gefunden - 19,6 Prozent. Davon sprachen sich 72,7 Prozent (Land: 83,2) für den Volksentscheid und damit gegen die Gerichtsstrukturreform aus. Nur: Die klare Mehrheit zählte nicht.

Mit Enttäuschung reagierten die Initiatoren des Volksentscheids. Dirk Simon, Sprecher des Richterbundes, sagte am Sonntag, das Thema sei für eine Volksabstimmung zu sperrig gewesen. Man werde nun wieder an die Arbeit gehen und versuchen, das Beste aus der neuen Gerichtsstruktur zu machen.

Für Justizministerin Uta-Maria Kuder (CDU) ist das Ergebnis ein Erfolg. Die Justiz brauche in Zukunft größere Einheiten, um sicher zu stellen, dass der Bürger zügig zu seinem Recht kommt.

Was verbirgt sich hinter der Gerichtsstrukturreform?
Sie sieht in der Hauptsache vor, die Anzahl der Amtsgerichte in MV von ursprünglich 21 auf zehn zu reduzieren. Fünf sollen geschlossen, sechs zu Zweigstellen umgewandelt werden. Der Landtag hatte dem Gesetz im Oktober 2013 mit den Stimmen von SPD und CDU zugestimmt. Ein Jahr später trat es in Kraft.

Warum schob die Landesregierung die Reform an?
Sie begründet die Notwendigkeit in erster Linie mit dem demografischen Wandel: Weniger Einwohner, weniger Verfahren. Aus Sicht der Landesregierung könnten größere Gerichte außerdem effizienter arbeiten als kleine. „Wenn in einem kleinen Gericht ein Richter oder Rechtspfleger krank wird und der andere wegen Urlaubs fehlt, dann ist die Bearbeitung der Verfahren nicht mehr möglich. Nur in größeren Amtsgerichtseinheiten sind in diesen Fällen Vertretungen gewährleistet“, argumentiert Justizministerin Uta-Maria Kuder. Mit der Reform setzt die Landesregierung Vereinbarung Nummer 374 aus dem Koalitionsvertrag um. Auf 25 Jahre gesehen sollen dadurch 33,6 Millionen Euro eingespart werden – der Großteil durch den Wegfall von Mieten und der Bewirtschaftung von Gebäuden.

Wie argumentieren die Gegner der Reform?
Sie bemängeln in erster Linie längere Wege. „Gerichtsbezirke weit größer als etwa das Saarland erschweren künftig weiten Teilen der Bevölkerung den Zugang zur Justiz“, sagt der Vorsitzende des Richterbundes MV, Axel Peters. Rechtsanwalt Stefan Graßhoff, Präsident der Rechtsanwaltskammer Mecklenburg-Vorpommern, sieht damit die Rechtssuchenden gegenüber dem bisherigen Zustand deutlich im Nachteil. Der Deutsche Anwaltverein befürchtet, dass Richter künftig seltener Ortstermine anberaumen könnten oder einen großen Teil ihrer Arbeitszeit für Fahrten dahin aufwenden müssen. Folglich bliebe weniger Zeit, um Fälle zu bearbeiten. Ein weiterer Kritikpunkt: Nicht jede Zweigstelle ist für alle Rechtsangelegenheiten zuständig. Zu den großen Gegnern der angeschobenen Reform gehören unter anderem der Richterbund MV, die Rechtsanwaltskammer MV, der Deutsche Anwaltverein und der Verein „Pro Justiz Mecklenburg-Vorpommern“.

Wofür sind Amtsgerichte zuständig?
Unter anderem für Scheidungen, Unterhaltsklagen, Bußgeldverfahren, Zwangsvollstreckungen, Zwangsversteigerungen, Vaterschaftsfeststellungen, Mietstreitigkeiten, die Erteilung eines Erbscheins sowie für Eintragungen ins Vereinsregister und Grundbuch. Es stellt Durchsuchungsbeschlüsse aus, ordnet Haftbefehle an, urteilt in Privatklageverfahren zum Beispiel bei Hausfriedensbruch, Beleidigung und Sachbeschädigung. Auch Vergehen wie Betrug, Körperverletzung oder Straßenverkehrsdelikte werden hier verhandelt, sofern das zu erwartende Strafmaß zwei Jahre nicht überschreitet.

Wieso kommt es dazu, dass das Volk über die Reform entscheidet?
Im März 2014 starteten der Richterbund MV und der Verein „Pro Justiz“ ein Volksbegehren gegen die Reform. Damit es zugelassen wird, waren mindestens 120.000 gültige Unterschriften nötig. Die bekamen die Gegner zusammen. In der Folge musste sich der Landtag damit befassen. Er lehnte das Volksbegehren erwartungsgemäß mit der Stimmenmehrheit von SPD und CDU ab. Deshalb der Volksentscheid. Er ist der erste in MV, der von der Bevölkerung initiiert wurde – und der zweite überhaupt. Der erste fand im Juni 1994 statt. Damals wurde über die Landesverfassung abgestimmt.

 

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