"Mit so einem Ergebnis hatte ich nicht gerechnet"
Ihre Wahlniederlage liegt nun gut anderthalb Wochen zurück. Wie geht es Ihnen heute?
Angelika Gramkow: Nach dem ersten Schock, die Wahl so klar verloren zu haben, geht es mir inzwischen wieder besser.
18. September, Stichwahlsonntag, kurz nach 18 Uhr. Die ersten Ergebnisse trudeln ein - und sind eindeutig. Was ging in diesem Moment in Ihnen vor?
Mit so einem Ergebnis hatte ich nicht gerechnet. Das tat natürlich weh! In dem Moment habe ich nur versucht, stark zu bleiben. Für meine Familie und mein Wahlteam. Sie waren alle wie erstarrt. Meine Emotionen lösten sich dann zu Hause. Natürlich sind da auch viele Tränen geflossen.
Was schmerzt am meisten?
Die Eindeutigkeit, mit der sich die Schwerinerinnen und Schweriner gegen mich ausgesprochen haben. Diese Eindeutigkeit bedeutet für mich auch, dass sie meine Arbeit nicht anerkannt haben.
Wie erklären Sie sich dieses eindeutige Ergebnis gegen Sie?
Ich habe keine Erklärung dafür. Fakt ist, dass ich meine eigene Wählerschaft nicht erreicht habe. Andere waren sich vielleicht zu sicher, dass ich eine zweite Amtszeit mit links schaffen werde. Natürlich werden einige auch von mir und meiner Arbeit enttäuscht sein. So etwas liegt in der Natur der Sache. Unterm Strich hat es eine Wechselstimmung gegeben, die von dem Motto getragen war: „Die Gramkow muss weg.“ Warum, weiß ich nicht. Ich bin davon überzeugt, dass ich auch gegen jeden anderen Kandidaten verloren hätte.
Welche Rolle hat aus Ihrer Sicht der Missbrauchsskandal bei Power for Kids gespielt?
Natürlich gibt es Leute, die mich für den Missbrauch an den Kindern verantwortlich machen oder mir ankreiden, dass ich die Amtsleiterin nicht entlassen habe. Manche sagen: Ich bin damals, vor acht Jahren, nach den schrecklichen Ereignissen um Lea-Sophie als Oberbürgermeisterin ins Amt gekommen – und muss nun bei diesem neuen schrecklichen Fall eben wieder gehen. Ob das wirklich der Grund für meine Abwahl ist, weiß ich nicht.
Wie begegneten Ihnen die Schweriner nach der Wahl?
Viele, die mich bei Terminen, in der Stadt, beim Bäcker, Friseur oder Einkaufen ansprachen, gaben sich fassungslos über das Ergebnis oder zeigten Enttäuschung. Gegenwind und Häme begegnen mir vorwiegend in den sozialen Medien.
Wie sehen Ihre letzten Tage im Amt aus?
Ich werde noch bis zum 30. September arbeiten. Dann nehme ich meinen restlichen Jahresurlaub. Bis dahin ist der Terminkalender gut gefüllt.
Wie geht es ab 1. November für Sie weiter?
Das weiß ich noch nicht. Auf diesen Weg war ich nicht vorbereitet. Nach insgesamt 25 Jahren in der Politik in den Schuldienst zurückzukehren, ist utopisch. Nahtlos in die Wirtschaft zu wechseln, ist auch ausgeschlossen – das ist ein Credo der Linken. Ein anderes politisches Amt schließe ich ebenfalls aus. Ich werde jetzt erst einmal Urlaub machen und in Ruhe über die Zukunft nachdenken.
Also wären Sie dann unter Umständen arbeitslos?
Als Oberbürgermeisterin bin ich Wahlbeamtin. Wenn Wahlbeamte aus ihrem Amt scheiden, gehen sie in Ruhestand und haben Anspruch auf Ruhestandsgeld. Auch aus meiner Zeit im Landtag habe ich noch Anwartschaften. All das lasse ich jetzt gerade berechnen. Mit 58 in Ruhestand zu gehen, nichts zu tun, kann ich mir jedoch nicht vorstellen.
Ist eine Oberbürgermeister-Station im Lebenslauf ein Vor- oder Nachteil bei der Jobsuche?
Oberbürgermeisterin gewesen zu sein, halte ich nicht für einen Nachteil. Der liegt eher darin, eine bekannte Politikerin der Linken zu sein. Einer Partei, die auch zu den Landtagswahlen gerade abgewatscht wurde. Damit wird sich keiner schmücken wollen.
Was wird die größte Umstellung werden?
Keine 70- oder 80-Stundenwoche mehr zu haben.
Wie schätzen Sie selbst Ihre Arbeit der vergangenen acht Jahre ein?
Ich wollte nie nur Oberbürgermeisterin sein und thronen, sondern auch arbeiten. Und ich finde, das habe ich auch getan. Ich arbeite strategisch, entscheide schnell und stehe dann auch dazu. Diese dominante Art kam sicher nicht überall an. Sie hat am Ende aber zum Beispiel auch dazu geführt, dass wir es gemeinsam geschafft haben, ein jährliches 35-Millionen-Defizit in der Stadtkasse auf unter 10 Millionen zu bringen.
Welche Momente aus der Amtszeit werden besonders haften bleiben?
Da gibt es einige. Die Buga-Eröffnung mit dem Bundespräsidenten Köhler, zum Beispiel. Oder der Anruf aus dem Kultusministerium, dass wir es auf die Vorschlagsliste fürs Welterbe geschafft haben. Die Entscheidung, dass Nestlé sich hier ansiedelt. Als wir 2010 erstmals mehr Zuzug als Wegzug hatten. Als Landesrabbiner William Wolff Ehrenbürger von Schwerin wurde. Die Rettung des Theaters. Natürlich werden auch weniger schöne Momente in Erinnerung bleiben. Dazu gehört zum Beispiel der verlorene Briefumschlag mit dem Einspruch gegen den Zensus, der uns am Ende 4000 Einwohner kostete. Jeder Flüchtling, der abgeschoben werden musste. Oder als ich den Einwohnern vom Dreesch sagen musste, dass ich ihren Wunsch nach einem Zebrastreifen nicht erfüllen kann.
Werden Sie in Schwerin bleiben?
Ja. Wir haben hier unsere Wohnung. Mein Mann arbeitet in Schwerin. Und wir fühlen uns hier wohl. Aus jetziger Sicht gibt es noch keinen Grund, Schwerin den Rücken zu kehren.
Werden Sie Herrn Badenschier Ihre Telefonnummer für den Notfall geben?
Dr. Badenschier und ich werden uns in dieser Woche zu einem Übergabe-Gespräch treffen. Und ja, natürlich bin ich bereit, ihm meine Telefonnummer zu geben, um bei Bedarf auch danach noch das eine oder andere zu klären.