Roland Regge-Schulz

Arschpirin am Katertag

Am Tag danach sitzt Vater am Tisch und starrt auf ein Wasserglas, in dem fröhlich Tabletten sprudeln. „Arschpirin“, denkt er, mit schmerzendem Kopf, „das wäre doch ein passender Name für ein Zäpfchen.“ Aber mal von Anfang an...

Vater trinkt gerne mal ein kühles Bier, doch auf Kommando sich einen oder gar zwei auf die Lampe zu gießen, das ist nicht sein Ding. Oder gar in einer großen Gruppe fröhlich über Land zu ziehen und dabei immer feuchter zu werden? Nein, nicht mit ihm.
Früher, als er noch kein Vater war, da konnte er sich ja noch drücken. Wenn seine Freunde am Himmelfahrtstag zum kollektiven Gelage loszogen, zog er nicht mit.
„Es ist Vatertag“, pflegte er zu sagen, „und ich bin doch kein Vater.“
„Herrentag“, riefen seine Freunde.
„Und ihr seid keine Herren“, rief er zurück.
„Männertag“, grölten sie.
Und der Damals-noch-nicht-Vater winkte ab: „Den gibt es nicht, den habt ihr euch nur ausgedacht, um einen Grund zum Saufen zu haben.“

Aber dann wurde Vater Vater. Und Schluss war es mit der Ruhe am Himmelfahrts-Vatertag. Als Vater hat man ja schließlich Verpflichtungen. So ein Kind hat auch eine gewisse Erwartungshaltung. Was sollte es denn von ihm denken, wenn die Väter der anderen Knirpse losziehen und der eigene bleibt brav zu Hause sitzen?
„Mama, wo ist denn der Waschlappen?“
„Der sitzt im Wohnzimmer und guckt in die Röhre.“
Eine Zeit lang hatte Vater sogar überlegt, einen Vaterschaftstest machen zu lassen. Wenn er gar nicht der Vater wäre, müsste er nicht mit zum Vatertag. Aber dann fügte er sich in sein Schicksal. Er zog sich Opas alten, viel zu weiten Anzug an, setzte sich seinen Vatertagshelm auf, ein Geschenk der Mutter seines Kindes, mit Bierbüchsenhalter und Trinkvorrichtung. Er zwackte sich einen Fliederzweig ans Revers und verließ mit einem fröhlichen Prost das Haus.
Vater mochte eigentlich morgens nichts trinken, außer Milch und Kaffee. Aber am Vatertag war das anders. Kaum am Bollerwagen angekommen, genehmigte er sich zwei Doppelte und spülte sie mit Bier hinunter. Und weil man auf einem Bein nicht stehen kann... und weil aller guten Dinge drei sind... und schon flitzte der Tag nur so an ihm vorbei. Jedenfalls glaubte er das in der Erinnerung, weil er sich an nichts mehr erinnern konnte, was nach dem Mittag passierte. Wenn er ehrlich war, wusste er selbst nicht mehr, was es zum Mittag gegeben hatte. So wie sich am nächsten Tag sein Kopf anfühlte mussten es Zerealien gewesen sein. Feldfrüchte. Also Korn. Mindestens Doppelkorn, eher dreifach.
Ein Tag nach Vatertag ist Katertag. Auf dem Tisch vor Vater sprudeln gleich zwei Kopfschmerztabletten im Wasserglas. Vater denkt unter Schmerzen, dass Kopfschmerztablette ein sehr irreführender Name sei. Man bekommt doch keine Kopfschmerzen davon. Und wenn, die würden heute den Kohl auch nicht mehr fett machen.
Vater schaut in die sich im Sprudel windenden Tabletten. Sein Kopf tut weh.
Gleich würde er die aufgelösten Tabletten hineinschütten. Gut!
Hinunterschlucken. Hähhh?
Und damit die Wirkstoffe mit Schwung in die falsche Richtung schicken. Hinunter in den Bauch, statt nach oben in den Kopf, wo es weh tat.  So ein Blödsinn!
Ein Zäpfchen, denk Vater, ein Zäpfchen wäre viel besser. Mit Schwung in den Hintern, das Ding, die Spitze nach vorn, wie ein Torpedo ab in Richtung Kopf.
„Arschpirin“, denkt der Vater, „das wäre doch ein passender Name dafür.“