Was für ein Gewimmel. Menschen sinds, die hier wimmeln, die sich verlieren in schierer Masse. Einsam sind sie, wenn die Hand des Partners ihnen entgleitet, ihnen nur noch kurz einmal zuwinken kann und dann mit dem Gegenstrom zwischen bretterigen Buden entschwindet. Es ist Weihnachtsmarkt und alle gehen hin. Hier kann man Bratwurst essen und Champignons und sich mit Glühwein wunderbar den Magen verderben. 
Auf einer Bank am Rand hockt einsam und traurig ein Weihnachtsmarkt-Witwer. Er hat im Gedränge seine Frau verloren, hat versucht sie wiederzufinden. Er hat sie nicht gefunden. Er freut sich über mein Hilfsangebot für die Suche. Vier Augen sehen mehr als zwei.
Was hat sie denn an, die gute Frau?
Eine dunkelgraue Jacke und einen schwarzen Schal mit dazugehöriger schwarzer Mütze.
Ich ziehe aus dem Menschenstrom Frauen heraus. Von den ersten zehn, die vorbeikommen, haben fünf die passende Kleidung. Vier andere kommen nicht in Frage. Sie tragen graue Mütze und grauen Schal zu schwarzer Jacke. Eine trägt gar eine unglaublich bunte Jacke. Dunkles Beigegrau!Das sie sich mit so einer abenteuerlichen Farbe überhaupt auf die Straße traut.
Der Weihnachtsmarkt-Witwer schüttelt bei jeder Frau nur traurig den Kopf. Immer mehr Frauen ziehe ich aus dem Gewühl. Keine ist die seine.
Ich ziehe meine Stiefel aus und stelle mich auf Zehenspitzen auf die Bank. Der ganze Weihnachtsmarkt ist vollgestopft mit einer unifarbenen schwarzgrauen Masse. Eine graue Armee des unfarbigen Trübsals.
Ein einziger roter Punkt dazwischen.
Es ist nicht der Weihnachtsmann!
Eine Frau im mutig roten Mantel verwirrt die Kinder. Lässt sie enttäuscht greinend zurück. Das bisschen Flaum auf ihrer Oberlippe kann nun wirklich nicht als anständiger Bart gewertet werden.
Ich schlüpfe in die Stiefel, ziehe den Weihnachtsmarkt-Witwer von der Bank und drücke ihn der roten Frau in die Arme.
„Nimm die“, flüstere ich ihm ins Ohr, „die kommt dir nicht so leicht abhanden.“
Dankbar winkt er mir noch zu, als er in der Menge verschwindet. Ich sehe ihm nach. Ein grauer Fleck am roten Mantel.
Zufrieden kämpfe ich mich nach Hause. Es ist eklig kalt geworden. Ich sollte mir einen Schal kaufen. Ein schwarzer würde gut zu meinem grauen Mantel passen.