Die technische Konter-Evolution

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Wenn Apple das Pferd neu erfinden würde, müsste Mercedes sich warm anziehen. Die Menschen würden das Auto stehen lassen und mit dem iHorse zur Arbeit reiten. Unfug? Leider nein! Bester Beweis: Die Uhr kommt zurück ans Handgelenk. Nicht weil man sie braucht, sondern weil sie von Apple ist.
22.04.2015
Eine Kolumne von Roland Regge-Schulz

Ich stamme ja noch aus der Uhrzeit, also aus der Zeit, als alle noch eine Uhr am Handgelenk getragen haben und trotzdem die Zeit relativ war.
Die Uhren waren rund und hatten Zeiger. Und wenn uns jemand gefragt hat, wie spät es denn sei, haben wir kurz raufgeschaut und gleich zehn vor Sechs gesagt. Oder viertel oder halb oder dreiviertel und dann die Zahl hinterher.
Dann wurden die Uhren eckig und die Zahlen digital. Und Schluss war mit ungefähr, die Kurzvorumzeit hatte ausgedient. Wenn uns jetzt einer nach der Zeit gefragt hat, haben wir kurz auf die Uhr geschaut und 13 Uhr 56 gesagt.
Und dann kamen die Handys in jede Tasche. Und die Handys wurden zu Smartphones, zu kleinen eierlegenden Wollmilchsäuen. Die ersetzten die Uhr, den Fotoapparat, die Videokamera, das Navi. Man kann mit ihnen sogar telefonieren und eine Flasche Bier aufmachen. Letzteres ist allerdings nicht zu empfehlen.
Das Smartphone in der Tasche hat Fotoapparat und Videokamera verstauben lassen und locker die Uhr vom Handgelenk geschüttelt. Nur ein paar unverdrossene tragen noch Uhr. Entweder weil sie immer eine getragen haben und nach rechts umfallen würden, wenn das Gewicht am linken Handgelenk fehlt oder weil sie damit protzen wollen. So eine Rolex ist zwar irgendwie von vorgestern aber die zehn Mille müssen ja noch abgetragen werden.
Nun gut, das muss einem ja nicht gefallen, ist aber technische Evolution. So wie das Auto das Pferd von der Straße gedrängt hat, hat das Smartphone die Uhr in die Schublade verbannt.
Aber jetzt wirds verrückt. Ich sage nur Konter-Evolution. Das Handy holt die Uhr zurück. Das iPhone hat ein Kind bekommen und das Galaxy S-Irgendwas von Samsung auch und das andere Dingsda auch. Alle haben sie kleine Ableger bekommen, die man am Handgelenk trägt.
Im Prinzip sind die so überflüssig wie ein Kropf, weil sie für das, was sie können, das Handy in der Tasche brauchen. Das sagt den Uhren dann, sie sollen mal anzeigen, dass da eine neue Mail in der Tasche ist. Oder jemand über WhatsApp ein Video geschickt hat, von einer Frau mit Pimmel oder von einem Mann mit Brüsten oder beides auf einmal.
Das ist natürlich total toll, wenn man gar nicht erst in die Tasche greifen muss, sondern gleich am Handgelenk ablesen kann, dass da dieses Video ist und man nur noch in die Tasche greifen muss, um das Handy herauszuholen und das Video anzugucken. Pimmelbrüste. Geil.
Das braucht nun wirklich kein Schwanz, um mal im Bild zu bleiben. Und trotzdem werden bald massenhaft Menschen mit diesen Uhren am Handgelenk durch die Gegend laufen. Weil sich das Handy die meiste Zeit in der Jacken- oder Hosentasche versteckt. So eine Uhr aber...

He, guck mal, wie spät es ist.