Eine Kolumne von Roland Regge-Schulz

Es geht um die Wurst

  • dieschweriner.de
Der Weihnachtsmarkt ist gefährlich für die Bikinifigur. Was solls, man geht ja nicht im Bikini auf den Markt. Und als Mann schon gar nicht. Aber wenn man an jeder Futterbude auch nur ein Stückchen probiert, passt man Weihnachten zu Hause nicht mehr durch die Tür.

„Willste ne Bratwurst“, ruft der Verkäufer und schaut mich fragend an, klappert mit der Zange in der rechten Hand und schwenkt mit der linken das Grillrost über der Glut.
Ich schüttle den Kopf, stütze mich schwer auf das Holz neben den Senf- und Ketchupspendern und sage: „Wurst ist krebserregend.“
„Behauptet wer?“
„Die WHO. Also die Weltgesundheitsorganisation.“
„Können die das auch beweisen?“
„Na ja, nicht so wirklich. Aber die werden schon wissen, was sie behaupten.“
„So, so“, sagt der Bratwurstmann und schwenkt den Grill so gekonnt, dass mir der Bratwurstduft gemein in der Nase bohrt.
„Weißte was“, sagt der Bratwurstmann, „mein Onkel Klaus, der hat früher auch mal total gesund gelebt. Der hat mit 13 mit dem Rauchen aufgehört, weil er in der Zeitung gelesen hat, dass Rauchen Lungenkrebs erregt, wenn man nicht Helmut Schmidt heißt. Der hat im Diktat eine Fünf in Kauf genommen, weil er sich geweigert hat, das Wort Asbest zu schreiben. Der hat Grünzeug in sich hineingestopft, obwohl er keine Kuh war, nur weil das doch so gesund sein sollte. Der konnte erklären, was Ballaststoffe sind und hat die sogar gegessen. Der ist jeden Tag eine Runde gelaufen, obwohl er laufen hasste, nur um immer schön fit und gesund zu bleiben. Der hat sich gegen Grippe impfen lassen. Der war fit wie ein Turnschuh. Der wäre nie bei Rot über die Kreuzung gegangen. Ja, und dann kam es, wie es kommen musste.
Er stand an der Ampel, ein Laster kam zu schnell um die Kurve, Ladung schlecht gesichert und zack... Er ist viel zu früh gestorben, mein Onkel Klaus, als dass es sich für ihn gelohnt hätte, gesund zu leben.“
Andächtig schwenkt der Bratwurstmann das Grillrost über der Glut.
„Willste ne Wurst?“, fragt er.
„Zwei!“, sage ich.