Eine Kolumne von Roland Regge-Schulz

Mitgenommen

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Das neue Auto ist wie Weihnachten. Aber nicht weil es mir einer schenkt, sondern weil es blinkt und glitzert wie ein Tannenbaum. Und schlau ist es. Schlauer jedenfalls als ich. Böse Menschen werden jetzt sagen: Dazu gehört nicht viel. Und das Schlimme ist, es stimmt.

„Machen Sie sich in aller Ruhe mit den Funktionen vertraut“, sagt der Verkäufer, „probieren Sie alles aus, so lernen sie es am besten kennen.“
Mein altes Auto will nicht mehr mit mir fahren. Schade. Es hatte so ein freundliches Gesicht. Das neue guckt mich grimmig an. Ich schwöre, es guckt wirklich. Und so wie es guckt, scheint es nicht viel von mir zu halten. Ich ignoriere sein Gucken, stecke die Hände tief in die Taschen und schlendere mit Kennerblick einmal um das Auto herum, trete dabei mit der Fußspitze prüfend gegen die Reifen. Keine Ahnung warum, das macht man so. Wahrscheinlich um den Auto Respekt beizubringen. Das Reserverad unterm Heck soll auch gleich wissen wo der Hammer hängt. Ich taste mit der Fußspitze nach ihm. Irgendetwas piept. Ich beuge mich herunter, die Heckklappe schwingt mir entgegen. Unglaublich, was ein leichter Kinnhaken so anrichten kann, wenn er einen unvorbereitet trifft. Die Zunge war sowieso zu lang und wenn ich schon einmal hier liege, kann ich gleich unters Auto gucken. Ah, ja...
Aber gefallen lassen, muss ich mir das nicht, von so einem Stück Blech. Ich rappele mich auf und trete der Karre in den Arsch. Entschuldigend fiepend klappt die Kofferklappe wieder zu. Na also, geht doch.
Ich setze mich ins Auto. Freundlich blinkert und glitzert es mir zu. Ich drücke überall ein bisschen herum und merke, dass das Auto immer nervöser wird. Jetzt hat es Angst vor mir. Es verbündet sich mit meinem Handy. Zwei gegen einen, das ist feige. Ich bin mutig.
Ich starte. Ich fahre. Ich fahre schnell. Geile Karre.
Es fiept und leuchtet ängstlich, wenn uns jemand zu nahe kommt, zeigt mir Verkehrsschilder, die es zu übersehen lohnt und Parkplätze auf denen es mich gern herausschmeißen würde. Das Blinkern und Blitzern und die Töne ignoriere ich einfach. Dann ist es irgendwie wie mit meinem alten Auto.
Fast.
Das neue Auto rüttelt am Lenkrad, wenn ich nicht sauber in der Spur bleibe. Schlimmer noch, es lenkt mich sanft zurück. Na so weit kommt es noch, dass ich mir von einem Auto vorschreiben lasse, wie ich zu fahren habe. Ich halte dagegen. So ein Rückspiegel wird doch überbewertet. Na gut, die Tür hätte ich gern behalten und die Airbags um mich herum wollte ich auch nicht alle sehen. Scheiß LKW.
Ich mache die Augen zu. Als ich sie wieder öffne, kümmern sich Rettungssanitäter liebevoll um mich. Das Auto hat sie gerufen, als es gesehen hat, dass es mir nicht ganz so gut geht. Und für sich den ADAC.
Wenn man gezwungen ist, eine Weile auf dem Rücken zu liegen, dann hat man viel Zeit für Gedanken. Ich denke gerade über eine BahnCard 100 nach, als die Schwester mir eine Ansichtskarte bringt. Sie ist vom Auto. Es ist mit meinem Handy ans Mittelmeer in den Urlaub gefahren. 1500 Kilometer. Unfallfrei. Kein Wunder, mich haben sie ja nicht mitgenommen.


P.S. Um bei der Wahrheit zu bleiben, ich habe ein bisschen übertrieben. Auto, Handy und Fahrer sind wohlauf. Noch!