Roland Regge-Schulz

Onkel Klaus und der Weihnachtsmarkt

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„Das ist Terrorismus“, schimpft Onkel Klaus. „purer Terrorismus!“ „Paris“, sage ich. „Ja, da auch“, sagt Onkel Klaus, „den meine aber nicht.“ Und dann holt er tief Luft und spuckt ein Wort in den Raum: „Weihnachtsmarkt.“ Und ich mache einen großen Fehler. Anstatt mich einfach umzudrehen und so schnell wie möglich zu verschwinden, gucke ich ihn ungläubig an.

Ich mache einen großen Fehler. Anstatt mich einfach umzudrehen und so schnell wie möglich zu verschwinden, gucke ich ihn ungläubig an.
Onkel Klaus holt noch einmal tief Luft und dann prasselt ein Wortschwall auf mich nieder, den ich nie und nimmer in einem Atemzug untergebracht hätte.
„Diese Weihnachtsmärkte“, das muss man jetzt ganz schnell und ohne Punkt und Komma lesen, „sind ein Verbrechen an der Menschheit, ein Terroranschlag auf das deutsche Volk. Wenn es das Wort Kakophonie nicht geben würde, man hätte es erfunden, für das, was sich in deine Ohren bohrt, dieses Budengedröhne, weihnachtliches Lautsprechergewinsel, Passantenschnaufen, Glühweingrölen. Willst du irgendwohin steckst du im Stau der Bratwurstschmatzer. Mitten auf der breitesten Straße der Stadt. Zu Fuß, drei Ausrufezeichen!!! Da liebe ich mir den Karneval. Wenn Du in Köln lebst und den Karneval hasst, dann kannste einfach ein paar Tage fliehen. Nach Schwerin zum Beispiel. Da merkste von all dem Alaaf und Helau gar nichts. Aber vor dem Weihnachtsmarkt, da kannste nicht fliehen. Wo du auch hinkommst, es ist schon einer da. Und überall das Gleiche. Da hauen die ein bisschen billigen Teig in altes Fett und verlangen einen halben Monatslohn dafür. Aber am Schlimmsten ist die Mafia der Glühweinverkäufer. Nimm mal so ein Schluck in den Mund und vergleiche das mit den Preisen. Das ist ein Anschlag auf die Volksgesundheit in Verbindung mit einem Raubüberfall, das ist Ter....“
Weiter kam Onkel Klaus nicht. Er war schon leicht blau angelaufen. Höchste Zeit für einen Atemzug. Pfeifend zog er Luft in die Lunge.
Nach einer Minute sagte ich: „Apropos Glühwein. Wollen wir nicht einen Glühwein trinken gehen.“
„Glühwein“, zischte es während Onkel Klaus Farbe von vorsichtigem Blau zu dunklem Rot wechselte.
„Klar“, sagte ich, „ich gebe einen aus.“
„Okay“, sagt Onkel Klaus.