Eine Kolummne von Roland Regge-Schulz

Übergewicht macht einsam

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In Märchen kann man nicht alles so nehmen, wie es geschrieben steht. Deshalb heißt es ja auch Märchen. Laut Synonym-Wörterbuch der Politik-Floskeln ist Koalitionsvertrag ein anderes Wort für Märchenbuch. Und die Moral von der Geschichte...

Grimms Märchen kennen alle und kaum einer richtig. Oder weiß vielleicht jemand, wer von einem Entchen übers große Wasser getragen wurde?
Na?
Hänsel und Gretel! Das ist aber unmöglich. Jede Ente geht unter, wenn sich ein Kind darauf setzt. Erst recht, wenn dieses Kind Hänsel heißt und fett ist. Aber nein, ist ja ein Märchen, da kann man je behaupten was man will, nimmt ja keiner wirklich ernst.
Kann man auch nicht. Darf man auch nicht. Ist viel zu brutal.
Stellen wir uns doch einmal vor: Eltern merken, dass der Kaviar nur noch für zwei reicht. Kurzentschlossen setzen sie ihre Kinder an der Autobahnraststätte aus. Ohne Handy! Also ohne das sie wissen, wer und wo sie sind. Da irren die Kleinen also durch die Reihen parkender Autos, bis die Hexe von Sanifair den Jungen in eine Kabine sperrt und droht ihn runterzuspülen, wenn das Mädchen nicht für sie arbeitet. Und so putzt das Mädchen einen Tag nach dem anderen die Pinkelbecken, bis eines Tages die Hexe nicht aufpasst und vom Mädchen ins Klo geschubst wird. Ein Druck auf den Spüler und Sanifair muss sich nach einer neuen Toilettenfrau umsehen.

Das ist, so ungefähr, das Märchen „Hänsel und Gretel“ in die heutige Zeit übertragen. So etwas kann man doch keinem Kind erzählen. Ist doch viel zu brutal. Vor allem die Sache mit dem Handy.

Trotz aller Brutalität sind Märchen aber nicht ausgestorben. Im Gegenteil. Tag für Tag werden neue erzählt. Das Zentrum der deutschen Märchenerzählkunst ist Berlin. Eine große Glaskuppel schmückt den Festsaal der Märchenerzähler, auch Bundestag genannt. Und da stehen sie, die legitimen Nachfolger der Brüder Grimm. Merkel und Gabriel und wie sie alle heißen und erzählen uns was vom Pferd.
Wir nehmen sie gar nicht mehr ernst, wir wissen ja, man kann im Märchen nicht alles so nehmen, wie es erzählt wird, wie es geschrieben steht. Deshalb heißt es ja auch Märchen.
Meine persönlichen Lieblingsmärchen sind „Die Rente ist sicher“ von Norbert Blühm und „Mit mir wird es keine PKW-Maut geben“ von Angela Merkel.
Obwohl, „TTIP ist gut für uns“ von Sigmar Gabriel, ist auch nicht schlecht.

Aber mal zurück zu Hänsel und Gretel. Nachdem die Hexe heruntergespühlt und Hänsel auch den letzten Sanifair-Gutschein gegen Cola und Pommes eingetauscht hat, stehen die Kinder am großen Parkplatz, bis ein 2CV, eine sogenannte Ente, vorbeikommt und sie mitnimmt. Sie haben wirklich viel Glück, weil es doch kaum noch Enten auf deutschen Straßen gibt und Hänsel gerade noch so auf die Rückbank passt. Jedenfalls werden Hänsel und Gretel nach Hause gefahren. Und aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen, freuen sich die Eltern. Was beweist, dass Märchen auch komisch sein können.

Im ursprünglichen Märchen war es allerdings nicht ganz so einfach. Bevor sich die Eltern freuen mussten, kamen die Kinder an ein großes Wasser, auf dem ein Entchen schwamm. Das lockten sie an und der fette Hänsel setzte sich auf das Entchen, wollte, dass Gretel es ihm gleichtue...
Stopp!
So geht das nicht. Die arme Ente. Die ist danach nur noch für die 69 beim Chinesen zu gebrauchen... Egal, ist ja ein Märchen. Also weiter...
Aber Gretel wollte nicht mit Hänsel zusammen auf das Entchen. Sie hatte Angst, dass sie gemeinsam zu schwer sein würden. Und so wurden sie nacheinander, einzeln übers Wasser getragen.
Fertig!
Und die Moral von der Geschichte?
Übergewicht macht einsam.