Eine Kolumne von Roland Regge-Schulz

Vorsicht vor Gästen

  • dieschweriner.de
Jugendweihe, Konfirmation, Kommunion – dieser Tage wird gefeiert, was der Geldbeutel hergibt. Freunde und Verwandte kommen zu Besuch. Aber nicht alle haben diese Einladung wirklich verdient. Onkel Klaus zum Beispiel, ist einer von denen.

Heute möchte ich von Onkel Klaus erzählen. Klaus ist natürlich nicht mein Onkel und er heißt auch nicht Klaus. Ich habe sicherheitshalber seinen Namen und das Verwandtschaftsverhältnis geändert. Zu seiner Sicherheit - und zu meiner.
Onkel Klaus ist ein Schlingel. Ich hole mal dieses alte, kaum noch gebräuchliche Wort aus der Schublade, weil es dem Klaus so trefflich gerecht wird.
Klaus geht gerne feiern. Nur die Geschenke bereiten ihm Sorgen. Er hat das für sich durchgerechnet. Essen und Trinken dürfen im Gesamtwert auf gar keinen Fall unter dem Geschenkwert liegen. Das wäre sonst ein schlechtes Geschäft. Mehr als drei Bratwurst und zwei Steaks schafft er nicht. Dazu zehn Bier. Bei Aldi bekommt er das alles zusammen für einen Zehner. Also darf das Geschenk maximal zehn Euro teuer sein.
Blöd nur, wenn die Feierlichkeiten größere sind. Hochzeiten zum Beispiel oder Konfirmationen oder Jugendweihen, die gerade Saison haben. Da kann er nicht mit einem Zehner aufkreuzen.
Aber Onkel Klaus ist ja ein Schlingel.
Gerade letzte Woche ist er losgezogen und hat die schönste Jugendweihekarte mit Umschlag gekauft, die er für zwei Euro bekommen konnte. Dann hat er sich zu Hause hingesetzt und in schönster Schrift geschrieben:
„Alles Gute zur Jugendweihe.
Kauf Dir für den Fuffi etwas Schönes.
Mit den besten Wünschen
von Deinem Onkel Klaus“
Die Karte hat er in den Umschlag gesteckt, den aber nicht zugeklebt.
Klaus kam erst zur Feier als die schon im schönsten Gange war. Er hat sich zum Jugendweiheling durchgekämpft, ihm gratuliert und gesagt, dass er sein Geschenk schon zu den anderen auf den Tisch gelegt hat.
Am Abend dann, als auch der letzte Gast satt und zufrieden nach Hause getorkelt war, als die Geschenke in Ruhe gesichtet wurden, fiel auf, dass die fünfzig Euro aus Onkel Klaus Karte fehlten.
Irgendjemand musste sich bedient haben. Aber wen wollte man ernsthaft verdächtigen, aus dem engen Freundes- und Verwandtenkreis.
Das gerade erwachsen geweihte Kind hatte Pipi in den Augen.
Sollte es mit einem Trauma im Nacken in einer Welt voller Misstrauen gedeihen?
Mitnichten! 
Still und heimlich ersetze der Vater die fünfzig Euro. „Sieh mal hier, die sind wohl herausgerutscht und unter den Tisch gefallen.“

Und Onkel Klaus.
Der rieb sich satt und zufrieden die Hände. Kein Mensch ist auf die Idee gekommen, dass überhaupt gar kein Geld in der Karte war.
Am Wochenende bin ich zur Jugendweihe eingeladen. Eine Glückwunschkarte habe ich schon.