Roland Regge-Schulz

Weg vom Fenster

Wer im Flieger einen Fensterplatz bekommt, hat gefälligst auch die Augen aufzumachen und rauszugucken. Verdammt noch mal!

Ich würde ja gern am Fenster sitzen. Aber ich bin weg vom Fenster. Ich sitze am Gang, was mir aber wenig nutzt. Theoretisch könnte ich ja ein Bein in den Gang ausstrecken oder den Arm. Den Praxistest wage ich nicht. Zu schmal ist der Gang. Gerade breit genug, dass Frauen und Männer in adretten Uniformen ihren Kaffeewagen durchschubsen können. Da bleibt kein Platz für Rücksicht auf ausgestreckte Gliedmaßen.

Ich würde ja gern am Fenster sitzen. Meist sieht man ja nur Wolken. Aber heute sind nicht viele unterwegs. Heute kann man auf die Erde gucken. Übersichtliche Städte kann man sehen, mit zu Punkten geschrumpften Häusern. Mit den Augen kann man sich die Straßen entlang durchs Gebirge winden. Jedenfalls der am Fenster kann das. Ich nicht. Ich sitze ja am Gang, weit weg vom Fenster und stehe auf um meine Nachbarn hinauszulassen wenn sie aufstehen müssen, weil sie müssen.

Ich würde ja gern am Fenster sitzen. Aber dann hätte ich früher aufstehen müssen und früher losfahren und mich früher anstellen müssen am Schalter der Fluggesellschaft. Dann hätte ich mir einen Platz aussuchen können und nicht nehmen müssen, was gerade noch frei war. Dann hätte ich am Fenster sitzen können. Hätte, könnte... aber ich würde am Fenster sitzen.

Ich würde ja gern am Fenster sitzen. Aber da sitzt so ein Dicker, der hat den Platz gar nicht verdient. Der ignoriert das Fenster. Der guckt gar nicht raus. Der hat sich einfach hingesetzt, falsch, der hat sich in den Sitz plumpsen lassen und hat die Augen zugemacht. Das könnte der doch auch am Gang, die alte Schnarchnase. Wer sich einen Fensterplatz ergaunert, hat gefälligst auch die Augen aufzumachen und rauszugucken. Jawohl. Ich könnte mir die Krätze an den Hals ärgern.

Ich würde ja gern am Fenster sitzen. Aber eigentlich ist mir das egal. Ich bin sowieso viel zu müde um rauszugucken. Ich kann ja die Zeit für ein kleines Nickerchen nutzen. Es schläft sich nur so verdammt schlecht im Flugzeug. Kaum drifte ich weg, nickt mein Kopf zur Seite und ich bin wieder hellwach. Am Fenster kann man seinen Kopf einfach an die Wand lehnen.

Ich würde ja gern am Fenster sitzen.