Die nackte Wahrheit von der Seele der Dinge
Mein Handy zum Beispiel. Obwohl, das heißt ja nicht mehr Handy, sondern Smartphone, seit dem die Dinger nicht mehr mobile Telefone sondern kleine eierlegende Wollmilchsäue sind, mit denen man AUCH telefonieren kann. Also mein Smartphone hat mich treu und brav gut zwei Jahre begleitet, hat nie gemeckert, bis mir ein anständiger Schluck Bier hineingetropft ist. Aber auch dann tat es sein Bestes. Ich föhnte es, es rülpste und arbeitete weiter. Nur die Kamera hatte sich vom Vollrausch nie erholt. Das war ein bisschen blöd, weil ich die Kamera ziemlich oft benötigte. Da musste ich mich nach einem Ersatz umgucken. So etwas machen wir Männer ja gern. Abtauchen in technische Abgründe. Da wird verglichen und abgewogen. Sind nun viele Megapixel besser als Ultrapixel die weniger aber größer und damit lichtstärker sind? Ist iOS das Android von Windows? Geht LTE und wenn ja, wer? Wie hoch löst der Bildschirm auf und warum sich nicht im Wasser?
Ist ABS serienmäßig und kann man ESP abschalten? Ach, ne, das war jetzt beim Auto.
Es traf sich sehr gut, dass meinem Mobilfunkbetreiber meine Kündigung nicht so gut gefallen hat und er mir auch gern eine neues Handy samt Vertrag anwanzen wollte.
Und dann habe ich einen großen Fehler gemacht. Ich habe telefonisch mit meinem alten Handy, mein neues bestellt. Ich hätte es besser wissen können. Nein, sogar besser wissen müssen.
Es war einmal auf einer Fahrt nach Berlin. Unser damaliges Auto war in die Jahre gekommen. Wir hatten eigentlich keinen Grund zu meckern, es hat immer treu und brav seinen Dienst getan. Nur einmal hat es uns im Stich gelassen, das hatten wir ihm längst verziehen.
Aber es wurde langsam Zeit für ein neues Auto. Wir haben das durchgerechnet und darüber gesprochen, während wir mit dem alten Auto fuhren. Jedes Wort hat es mitgehört, hat gehört, dass es bald zum alten Eisen gehören würde. Bis Berlin hat es noch durchgehalten, mit Tränen in den Zylindern. Wir hatten es auf dem Parkplatz abgestellt und eine halbe Stunde später war ein Reifen platt. Einfach so. Mit dem Ersatzrad und dreckigen Händen ging es wieder zurück. Zwei Tage später verabschiedete sich der Zylinderkopf. Zu wissen, nicht mehr gebraucht zu werden, hatte unser Auto hart getroffen.
Und mein altes Handy? Eine halbe Stunde nach dem ich das verhängnisvolle Telefonat geführt hatte, entdeckte ich einen langen Riss auf dem Display. Das Glas, Gorillaglas wohlgemerkt, war komplett gesprungen, von links oben bis rechts unten.
Es war mir nicht heruntergefallen, ich hab es warm und weich in der Tasche gehabt. Ich habe ihm nichts getan. Und trotzdem trage ich die Schuld. Ich habe seine Seele verletzt.
Das war ungefähr so, als würde ein Chef seinen Mitarbeiter losschicken, er solle mal in die Bäckerstraße 15 fahren und dem Herrn Müller Bescheid sagen, dass der ab nächste Woche seinen Job hat.
Das ist seelische Grausamkeit. Das kann man vielleicht mit einem Kupferrohr machen aber doch nicht mit hochkomplexer Technik wie es ein Auto ist oder ein Smartphone.
Meinem neuen Telefon habe ich versprochen, nie so gemein zu ihm zu sein. Es hat mir mit einer kleinen grünen LED dankbar zugezwinkert. Ich glaube, es mag mich. Das würde auf Gegenseitigkeit beruhen.
Ich mag es auch. Schließlich habe ich mich seinetwegen tagelang mit technischen Parametern beschäftigt, habe Leistungsdaten verglichen und Testberichte gelesen. Und am Ende habe ich wie eine Frau entschieden. Ich habe es genommen, weil es am besten aussah.