Roland Regge-Schulz

Da steht ein liegengebliebenes Radio

„Früher“, so sage ich und trommle nervös mit den Fingerspitzen auf dem Lenkrad, „da waren die Verkehrsnachrichten im Radio noch nicht länger, als die Zeiten in denen Musik gespielt wird.“ „Ja, ja“, brummelt es von den Rücksitzen. Ein „Ja, ja“, das klingt wie: Jetzt erzählt er wieder von früher, als es kaum Autos gab und noch Pferde auf der Straße und nicht in der Lasagne. „Das macht mich wahnsinnig“, sage ich, „verdammt noch mal!“

Mein Navi weiß, wo ich bin. Der kleine Pfeil steht jetzt schon seit vier Minuten auf ein und derselben Stelle. Mein Handy weiß auch, wo es ist. Und wer es ortet, weiß wo ich bin. Und die NSA weiß sowieso alles. Wieso dann erzählt mir dieser Verkehrsfunk etwas von einem Stau auf der A1? Ich bin auf der A24 und die A1 interessiert mich einen feuchten Pups, da komme ich heute sowieso nicht mehr hin. Und wenn es so weitergeht bestenfalls in einer Woche. Das ist überhaupt so ein Problem mit diesen Verkehrsnachrichten. Fangen immer schön bei der A1 an und steigern sich dann langsam. Bis die A24 dran ist, hört man schon gar nicht mehr zu. Und schon stehe ich im Stau.

„Früher“, erkläre ich den kleinen Mitfahrerinnen im Fond des Autos, „da hatten wir keine Navis, da wussten wir aber immer, wann wir ankommen würden. Heute haben wir Navis, die uns die genaue Ankunftszeit berechnen, nur kommen wir nie zu der Zeit an.“

„Früher“, kichert es vom Rücksitz, „hattet ihr noch Pferdeäpfel auf der Straße.“

„Neue Ankunftszeit...“, säuselt das Navi.

„Schnauze!“, brülle ich es an.

„Sie fahren immer noch auf der schnellsten Route“, sagt das Navi.

„Hörst du, wir fahren!“, kichert es hinten.

„Schnauze“, brülle ich... NICHT. Den Verlust meiner pädagogischen Fähigkeiten hebe ich mir für später auf.

Je länger ich im Stau stehe, desto klarer werden die Gedanken. Die sind ja alle selbst schuld, die hier herumstehen und nervös auf dem Lenkrad trommeln. Müssen sie in ihrem Supermarkt Milch aus Thüringen kaufen, nur weil die einen Cent billiger ist aber nicht anders als die Milch von hier? Wenn man sinnlos Milch hin- und herfährt, dann entsteht schon mal ein Stau.

„Die Verkehrsnachrichten“, meldet das Radio, „A1, zwischen Autobahnkreuz...“

„Seid mal still“, rufe ich.

„...12 Kilometer Stau nach einem LKW-Unfall...“

Man sollte ein grundsätzliches Überholverbot für Laster aussprechen. Jedenfalls für Autobahnen mit nur zwei Spuren. Oder besser, für alle Autobahnen, auf denen ich unterwegs bin. Je mehr Stau auf den anderen Strecken ist, desto weniger Verkehr ist ja auf meiner.
Oder man sollte so ein Mikrotransportsystem einführen. Hat ja fast jeder noch Platz im Kofferraum. Wenn jeder etwas mitnimmt, spart das bestimmt ein paar Laster. Kann man bestimmt einfach organisieren, mit so einer App fürs Handy.

Mist, jetzt sind meine Gedanken schon wieder spazierengegangen. Auf welcher Autobahn bin ich? Wo?

Der Verkehrsfunker plappert ungerührt weiter: „...steht ein liegengebliebenes Auto.“

„Wie bitte?“, brülle ich. „was ist das bitte für ein Deutsch? Steht ein liegengebliebenes Auto?

Wenn Autos liegen, dann stehen sie nicht. Sie bleiben auch nicht einfach so liegen, die bleiben stehen. Die können höchstens nach einem Überschlag auf dem Dach liegenbleiben aber dann stehen die nicht. Ich bleibe morgens vielleicht liegen. Aber dann heißt das immer noch nicht: Im Bett steht ein liegengebliebener Mann...!“

Ungerührt sabbelt das Radio weiter: „steht ein liegengebliebener LKW. Vorsicht auf...“

Ich reiße das Radio aus dem Armaturenbrett und schmeiße es aus dem Fenster.

Endlich Ruhe. Sanfte Frühlingsluft strömt durch das Fenster. Ich atme tief durch, es geht voran. Fast fünfzig Meter! Na, also, geht doch. Neben mir ein Cabrio, das Radio voll aufgedreht.

„Achtung Autofahrer! Auf der A24 steht ein liegengebliebenes Autoradio...“