Roland Regge-Schulz

Die Todesbahn

Früher waren die Ferien länger, die Berge höher, das Eis dicker und die Todesbahn viel tödlicher.

Sind ja Ferien jetzt. Winterferien. Für die Kinder, für uns Erwachsene ja nicht. Ich glaube, darüber sind die Kinder ziemlich froh. Jedenfalls die größeren. Können Sie endlich mal zu Hause stundenlang Mist im Fernsehen gucken und dabei in aller Ruhe die Couch vollkrümeln, während wir Alten arbeiten sind. Wir müssen ja irgendwie die Kohle für den Couchreiniger verdienen.

Früher war alles größer. Auch die Ferien waren länger. Acht Wochen im Sommer, drei im Winter. Das waren noch Winterferien. Jetzt sind es nur noch zwei. Jedenfalls in Mecklenburg-Vorpommern. Andere Bundesländer haben gerade mal eine Woche oder gar keine. Da gibt es Zeugnisse und Montag gehts weiter. Keine Halbzeitpause. Wir sind ja nicht beim Fußball.
Im Wintersportland Mecklenburg-Vorpommern sind nicht nur die Winterferien länger. Da ist vieles mehr. Die Berge sind zum Beispiel viel kleiner als woanders. Dafür liegt traditionell weniger Schnee. Früher war mehr Schnee und die Berge waren größer und die Kälte kälter.
Damals als ich noch Winterferien hatte, da sind waren wir Schlittschuh laufen auf dem Lankower See. Das Eis war so dick, da durfte sogar Jens mit rauf. Und in den Lankower Bergen sind wir gerodelt. Das war anstrengend und gefährlich. Anstrengend weil die Stadt schon damals arm war und sich keinen Lift leisten konnte. Wir also immer mit den Schlitten zu Fuß auf den Berg hinauf mussten. Immerhin konnten wir bergab sitzen. Solange es einen nicht vom Bock gehauen hat. Dann mussten wir hinunter den Schlitten holen und wieder rauf. Puhhhh.
Früher waren die Lankower Berge noch viel höher. Erosion nennt man das wohl, wenn Wind und Wetter in tausenden von Jahren die Kuppen abtragen. Aber so alt bin ich ja noch gar nicht. Die Berge sind nur in meinem Kopf erodiert.
Die Todesbahn sieht gar nicht mehr so tödlich aus. Früher war sie noch richtig gefährlich. Da ist mal einer mit dem Fahrrad runtergefahren, so haben wir uns das damals erzählt, der hat es nicht überlebt. Es gab auch klare Beweise. Weil es einer erzählt hat, den man kennt und der jemanden kennt, dessen Schwester mal mit dem Cousin des Radfahrers zur Schule gegangen ist.
Wie ich später erfahren habe, hatte jedes kindliche Rodelrevier eine eigene Todesbahn auf der garantiert einer auf jeden Fall mal tödlich..., hat die Mutter der besten Freundin meiner Tante. Also die kannte den... Bestimmt!
Früher war alles viel tödlicher. Axels Schlitten ist mal gestorben, auf einer fiesen Bodenwelle. Tagelang hat Axel danach noch der Hintern (ich schreibe mal Hintern, weil ich das Wort Arsch in dieser Kolumne nicht verwenden wollte) wehgetan.
Heute ist die Todesbahn ein Witz. Falls es Schnee gibt in den Ferien, werde da mal runterfahren. Mit dem Fahrrad. Jawohl. Und wenn es schief geht, dann hat der Freund des Enkels der angeheirateten Schwägerin der Frisöse meiner Tante was zu erzählen.