Da Vinci und das Hochhaus am Ziegelinnensee

Die Debatte um das geplante Hochhaus am Nordufer des Ziegelinnensees hat am Mittwochabend rund 140 Schweriner zum 5. Schweriner Baugespräch in die Schule an der Ziegelseestraße gelockt.
20.03.2014
dieschweriner

Andreas Thiele vom Amt für Stadtentwicklung warb für das zehnstöckige Hochhaus, dessen Anblick „anfangs ungewohnt“ sein mag. Allerdings müsse die Bebauung am Ziegelinnensee mit einer „Landmarke“ abgeschlossen werden, um den Übergang „vom Stadtraum zum Naturraum“ zu markieren. Das könne, so wie im Stadtplaner-Lehrbuch vorgeschlagen, durch ein erhöhtes Gebäude geschehen, wodurch eine geschwungene Silhouette bis zum roten Speicher-Hotel am Ostufer entstehe. Die geplanten Häuser am Nordufer auf der Höhe der vorhandenen Neubauten zu belassen, sei „zu gleichförmig“ und „wenig spannungsvoll“, so Thiel. Ein zehnstöckiges Haus neben einem sechsstöckigen ergebe zudem ein Verhältnis, das dem „Goldenen Schnitt“ nahe kommt. Das Verhältnis des Goldenen Schnitts wird in der Kunst seit Leonardo da Vinci als besonders harmonisch angesehen.

Architekt Henryk Stutz lobte die „neue städtebauliche Qualität“ seiner Pläne und behauptete, das Hochhaus werde vom Südufer des Pfaffenteichs fast gar nicht zu sehen sein. Ein Befürworter des Vorhabens heimste mit dem Hinweis Applaus ein, Schwerin wolle „Stadt am Wasser“ sein. Darum müsse die Bebauung am Ziegelsee auch zu einem Abschluss gebracht werden. Eine Anwohnerin freute sich, dass die Schweriner Innenstadt insgesamt belebt werde, wenn mehr Menschen in der Stadt wohnen können.

Einige Aspekte der Baupläne des Unternehmens „Immobilien Entwicklungsgesellschaft“ (IMEG) wurden von den Hochhaus-Gegnern keinesfalls bezweifelt. Die versiegelte Industriefläche wird aufgewertet, grüner und für alle begehbar, weil der Rundweg um den Ziegelinnensee vollendet werden kann. All das aber sei auch möglich, wenn die Bebauung niedriger ausfalle. Acht Geschosse würden einen viel harmonischeren Abschluss bilden, so einer der Kritiker.

Christian Petersen, Betreiber des Speicher-Hotels, sagte, der Blick ins Grüne sei den Gästen Schwerins sehr wichtig, sie wollten nicht auf ein Hochhaus schauen. Ein anderer Skeptiker argumentierte, auch den Wassertouristen würde der Blick auf die Silhouette Schwerins durch das Hochhaus verstellt. Das Hochhaus störe die optischen Achsen und passe vom Charakter her nicht in diese Stadt, sagte ein weiterer Kritiker. Andere fragten, warum Architekt und Stadt bislang nur eine einzige Perspektive ihrer Pläne präsentierten. Von anderen Standpunkten aus sehe das Hochhaus vermutlich ganz anders aus. Stadtplaner Thiele versprach, weitere Ansichten im Internet bereitzustellen. Den Vorwurf, die präsentierte Fotomontage des Projekts sei „geschönt“, wies Architekt Stutz unterdessen vehement zurück. Etwas bedeckt hielt er sich, als die Frage nach ausreichendem Parkraum für die Bewohner der 42 neuen Wohnungen aufkam. Nicht ausdiskutiert wurde unterdessen die Anmerkung, Baupläne und Stadtbild würden immer mehr den „Verwertungsinteressen“ der Grundstücksbesitzer untergeordnet.

Am Ende der Debatte bekannte sich der scheidende Baudezernent Wolfram Friedersdorff (Linkspartei) als „begeisterter Befürworter“ der Hochhauspläne. Würde es nach ihm gehen, dürfte es auch drei Stockwerke höher ausfallen. Es geht jedoch nicht nach ihm. Die Entscheidung über den Bebauungsplan fällt am Ende erst die Stadtvertretung, die im Mai neu gewählt wird. Vorher werden die Pläne öffentlich ausgelegt. Dann können auch „offiziell“ Einwände gegen das Projekt eingebracht werden.

Nachtrag: Im Anschluss an das 5. Schweriner Baugespräch haben Kritiker beschlossen, eine überparteiliche Bürgerinitiative zu gründen. Das erste Treffen ist für kommenden Montag, um 20 Uhr im Speicherhotel am Ziegelsee geplant.