
Die Zeitung ist kleiner geworden
Die Zeitung ist kleiner geworden. Soweit ich denken kann, steckte sie bei uns zu Hause im Briefkasten. Erst mit blauem Kopf, dann nur noch grau und schwarz, gespart werden musste damals schon. Als Schulkinder haben wir die Zeitung kollektiv besucht. Der Mann meiner Lehrerin hatte dort gearbeitet. Das war noch in der Wismarschen-Straße. Die Zeitung war noch groß aber kurz, acht Seiten nur. Man hat sie von hinten nach vorne gelesen. Erst den Lokalteil mit Vater Krause und Selma 33, dann die Anzeigen, dann fast nichts mehr.
Die Auflage der Zeitung ist kleiner geworden, seit der Sturm die Mauer fallen ließ. Dem Land liefen die Menschen davon und damit der Zeitung die Abonnenten. 130.000 Einwohner hatte Schwerin zur Wende. Heute sind es 40.000 weniger. Und viele von denen, die noch da sind, können oder wollen sich ein Abo nicht mehr leisten. 300 Euro kostet das zur Zeit im Jahr.
Und immer weniger junge Leute abonnieren die lokale Zeitung. Sie holen sich die Informationen für lau aus derem Online-Angebot.
Die Zeitung ist kleiner geworden. Dafür soll sie ab sofort ein paar Seiten mehr haben. Noch mehr Inhalte, heißt es in der Werbung. Ein paar Leser werden Buchstaben zählen und Flächen berechnen und zu einem anderen Ergebnis kommen. Ökologisch gesehen zu einem besseren. Nur ein Gramm weniger pro Zeitung spart rund 30 Tonnen Papier im Jahr.
Die Zeitung ist kleiner geworden. Und die Stadt noch ruhiger. Die alte Druckmaschine hat aufgehört zu rotieren. Die Transporter schwärmen nachts nicht mehr von Schwerin aus, um die Nachrichten aus der Landeshauptstadt in die Region zu bringen. Sie starten jetzt in Wittenburg.
Die Zeitung ist kleiner geworden. „Handlicher und leichter lesbar“, sagt die Werbung. Effektiver, weil sie billiger produziert wird, sagt sie nicht. Mit der Umstellung verliert Schwerin über 40 Arbeitsplätze. Einige sind jetzt in Wittenburg. Die anderen? „Sozialverträglich abgebaut“, schreibt der Chefredakteur.
Die Zeitung ist kleiner geworden. Schwerin damit auch.