Das dunkle Schwerin

Doch, doch. Das gibt es. Es wird nur gern übersehen. Oder ignoriert. Am Bahnhof zum Beispiel sind Flüchtlinge von Fremdenfeinden fotografiert worden. Die Bilder landeten samt Hetze im Internet.
03.09.2015
Matthias Hufmann

20 Flüchtlinge mit der Bahn auf dem Weg nach Wismar, heißt es am Mittwoch auf Facebook. „Die Polizei ist informiert.“ Ganz so, als sei man Verbrechern auf der Spur. Fotos von außen in den Zug hinein. Dazu der Hinweis, dass es täglich Rangeleien geben würde. Und überhaupt: Für einige der Flüchtlinge werde es wohl von Bad Kleinen nach Lübeck weiter gehen. Mit dem Taxi. Kosten: 120 Euro.

28 Mal ist der Beitrag geteilt worden, die Meinung - eindeutig:

Die Kommentare stehen auf der Seite „Wismar gegen Asylmissbrauch“, die von Schwerinern maßgeblich unterstützt wird, seit Mvgida sich totgelaufen hat. Torsten S., Anfang des Jahres selbst Anmelder von rechten Aufmärschen, macht zum Beispiel Werbung für die geplante fremdenfeindliche Kundgebung am Samstag in der Hansestadt. Fortsetzung nicht ausgeschlossen. Schon bald soll es wieder eine Demo in Schwerin geben. Sie sei in Vorbereitung, heißt es auf „Schwerin wacht auf“. Und ausdrücklich keine Mvgida-Veranstaltung.

Reagiert wird darauf fast nie. Weder auf Hetze. Noch auf Ankündigungen. Fotos von der Erstaufnahme in Stern Buchholz, aufgenommen aus dem Auto, so als würde es auch hier eine Bürgerwehr geben - null Kommentare. Das Zählen von Wohnungen im Stadtteil Lankow, als die Fremdenfeinde vor allem auf der Suche nach Klingelschildern von Flüchtlingen waren - keine Empörung.

In Schwerin sind Ignorieren und Weggucken und Kurzatmigkeit weit verbreitet. Die ewige Online-Hetze der AfD-Stadtvertreterin Petra Federau (Deutschland holt sich nicht nur Religionskriege ins Land, sondern auch alle Krankheiten der Welt“) wurde von den Stadtfraktionen einmal gerügt, als der NDR darüber berichtet hatte. Und dann nie wieder. Es ist ein bisschen wie - abhaken.

Dazu passen die Gegendemos zu den Mvgida-Aufmärschen Anfang des Jahres. Die erste wurde privat organisiert. Bei der zweiten wollten plötzlich alle Flagge zeigen. 1000 Menschen kamen. Die Oberbürgermeisterin sprach, der Ministerpräsident ebenfalls, aus Protest gegen Rechts wurden im Schloss, in der Staatskanzlei, im Theater die Lichter ausgeschaltet. Nur: Aus den 1000 Teilnehmern wurden rasch 20 oder 30. Keine Gramkow, kein Sellering. Dem Einsatz für eine weltoffene Stadt war schnell die Puste ausgegangen. Es wirkte wie Teilzeit für Demokratie-Verteidiger.

Dem dunklen Schwerin wird es einfach gemacht in der Landeshauptstadt. Viel zu einfach.

 

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