Die Krankheiten der Stadionbrücke

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Seit mindestens 20 Jahren wird an ihr herumgedoktert. Wirklich helfen konnte man ihr nicht. Die Beschwerden haben viele Ursachen. Planungsfehler. Baufehler. Unterhaltungsfehler. Nun stand die letzte Untersuchung an.
20.09.2014
Sylvia Kuska

Wer unter der Brücke die Stufen der Steinböschung hinaufklettert, Spinnen, Schmutz und Wasser mag, entdeckt sie: Stalaktiten mitten in der Stadt. Weiß, grau, schmutzig wachsen sie von der Brückendecke. Sie sehen nicht schön aus. Gehören da auch nicht hin. Und doch lassen sie das Herz von Thomas Bickel höher schlagen. Aus fachlicher Sicht, betont der Ingenieur. Für den Fachmann sind sie ein untrügerisches Zeichen, dass mit der Brücke etwas nicht stimmt. Sie ist undicht. Das ist schon lange so. Nicht gut. Und inzwischen nicht mehr heilbar.

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Der Beton hat unzählige Wunden. Weil Wasser eindringt. Salze und chemische Reaktionen ihr Übriges tun. Das Material müde ist. Großflächige Schutzschichten sollten schon Mitte der 90er das Schlimmste kitten. Verhindern, dass alte Wunden aufreißen, konnten sie nicht.

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Tropf, tropf, tropf. Die Brücke hat chronischen Schnupfen. Aus den Entwässerungsrohren läuft das Wasser auch dann, wenn es nicht regnet.

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Sich bei Wärme auszudehnen – diese physikalische Eigenschaft gilt auch für Brückenteile. Bei der Stadionbrücke ist aber die Holzverschalung im Weg. „Deshalb verformt sie sich nicht so, wie sie rechnerisch sollte“, sagt Thomas Bickel. Ein Orthopäde würde von einem Haltungsschaden sprechen.

IBD
Wie eine Mortadella sieht der Beton im Inneren der Brücke aus. Die Brückenprüfer haben vor ein paar Jahren diese „Wurst“ herausgebohrt. Neben den „Fleischstückchen“ haben sich weiße Flecke gebildet. Ein gefährlicher Verdacht kommt auf: Betonkrebs. Er entsteht, vereinfacht gesagt, wenn bestimmte Stoffe in den Gesteinen und im Beton miteinander reagieren. Werden sie feucht, quellen sie auf. Der Druck steigt. Alkali-Kieselsäurereaktion ist der Fachbegriff. Die Laboruntersuchung bestätigt den Verdacht. Folge: Der Beton reißt, verliert an Festigkeit.

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Die Spannbetonbrücke aus dem Jahr 1974 ist schon lange Patient im Ingenieurbüro IBD in Raben-Steinfeld. Bauwerke wie sie müssen alle drei Jahre auf Herz und Nieren untersucht werden. Wenn sie schwächeln, öfter. Seit Ende 2011 sehen Thomas Bickel (links) und seine Kollegen all drei Monate nach dem Befinden.

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Zentimeter für Zentimeter klopft Ralf Saase die 76,5 Meter lange Brücke von unten ab. Klingt der Beton hohl? Danach fällt sein Blick auf die vielen Gipskleckse. Risse wären ein Alarmzeichen. Später im Büro wird der Brückenprüfingenieur von IBD alles in einen Computer eintragen. Hohlräume. Risse. Feuchtigkeit. Zahlen über Zahlen. Und alles mit den Daten aus der Krankenakte vergleichen. Es ist die zwölfte und letzte Sondergesundheitsprüfung. Medizinische Wunder: ausgeschlossen. Es bleibt bei der Diagnose: unheilbar krank.

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