Elternmitwirkung bei der Vollverpflegung? Zu lästig!

  • Mario Lars
Geahnt haben Eltern es schon länger. Jetzt hat Anke Preuß es bestätigt: Die Kita gGmbH hat sie bei der Umsetzung der Vollverpflegung bewusst außen vor gelassen.
05.02.2015
Sylvia Kuska

Volle Zuschauerreihen – das ist der Jugendhilfeausschuss bei seinen Sitzungen nicht gewohnt. Wirklich überrascht war aber wohl niemand aus dem Gremium. Viele der Zuhörer sind gekommen wegen Punkt fünf auf der Tagesordnung: Umsetzung der Vollverpflegung bei der Kita gGmbH. Warum sich der Ausschuss damit befasste? Weil die Kita gGmbH der größte Träger in Schwerin ist. Weil sie ein städtischer Träger ist. Und weil der Unmut vieler Eltern zu dem Thema auch am Ausschuss nicht vorüber gegangen ist. Was es gebracht hat?

Fazit 1: Elternmitwirkung ist lästig
Wie rechnen wir künftig das Essen ab? Vor dieser Frage standen die Kita-Träger mit der verpflichtenden Einführung der Vollverpflegung. Pauschal oder nach genauem Verbrauch – das sind die Möglichkeiten. Das Gesetz überlässt die Entscheidung den Trägern, sagt aber eindeutig: Die Eltern haben ein Mitwirkungsrecht.

„Wann fand denn nun die Elternmitwirkung statt?“ Zweimal fragt Edda Rakette von der SPD bei Anke Preuß nach. „Sie ist nicht passiert“, antwortet die Geschäftsführerin der Kita gGmbH schließlich. Bei einer Spitzabrechnung wäre es um Investitionen von 100.000 Euro gegangen. „Das kann ich nicht mit allen erörtern. Es ist wie es ist.“ Und das bedeutet: abgerechnet wird pauschal.

Gewusst? Anke Preuß hat gar nichts mit der Abrechnung zu tun. Die überlässt sie weiterhin den Caterern. Und diese müssen nichts in eine (Spitz-)Abrechnung investieren, weil sie das Essen der 2500 Kinder bislang auch schon nach genauem Verbrauch abgerechnet haben.

Fazit 2: Gesetz ignoriert. Wen interessierts?
Das Ministerium sagt: nicht zuständig. Das Jugendamt als Träger der öffentlichen Jugendhilfe sagt: Wir können nichts machen. Der Aufsichtsrat der Kita gGmbH sagt sinngemäß: alles in Ordnung.

Fazit 3: (K)ein ernstes Interesse an Meinungen?
20, 25 Mütter und Väter sitzen in den Zuschauerreihen. Einfach so (Zwischen-)Fragen stellen, dürfen sie nicht. Das sind die Ausschussregeln. Wer etwas sagen möchte, meldet sich. Dann beschließt der Ausschuss, ob er dem Gast ein Rederecht gewähren möchte. Ein Vater möchte reden. Von den 14 anwesenden Ausschussmitgliedern stimmen sechs dafür, vier dagegen, vier enthalten sich. Wer zum Beispiel dagegen ist? Ein Aufsichtsratsmitglied. Und der Ausschussvorsitzende.

Fazit 4: Deutliche Worte hätten viel Verwirrung gespart
Die Vollverpflegung steht im Kinderförderungsgesetz. Das ist stellenweise jedoch so schwammig formuliert, dass viele Begriffe Auslegungssache sind. Nachfragen im Sozialministerium brächten mitunter widersprüchliche Antworten, monieren die Träger unisono. Sie fordern Klarstellungen. 

Fazit 5: Vier Träger – vier Herangehensweisen
Kita gGmbH: Sie rechnet pauschal ab. 17 Tage pro Monat. Bei Vollzeitplätzen Frühstück, Mittag, Vesper. Im Teilzeitplatz Frühstück und Mittag. Auch, wenn das Kind frei hat oder jeden Tag erst nach dem Frühstück kommt. Vier Tage im Monat werden nicht berechnet.

Diakonie Neues Ufer gGmbH: Auch hier werden 17 Tage pauschal abgerechnet. Frühstück gibt’s um acht. Wer sein Kind erst um neun bringt, müsse aber nicht dafür zahlen, sagt Geschäftsführer Thomas Tweer.

Awo Soziale Dienste gGmbH Westmecklenburg: Die Arbeiterwohlfahrt favorisierte die Pauschale. Die Eltern waren dagegen. Jetzt zahlen sie wie bisher für jeden Tag, an dem das Kind zur Kita kommt – dann aber alle Mahlzeiten des Tages. Spitzabrechnung nennt sich das.

Elterninitiative Schlossgeister e.V.: „Wir rechnen auch spitz ab“, berichtet Leiterin Sabine Kötzsch dem Ausschuss. Sogar noch spitzer als die Awo: Ein Kind wird heute mal früh abgeholt? Kein Problem. Dann zahlt es für diesen Tag auch nichts fürs Vesper.

Fazit 6: Umdenken? Das sollen erstmal andere!
"Wie können Eltern für eine verbrauchsgerechte Abrechnung kämpfen?", fragt Ausschussmitglied Tim Piechowski. Im Moment gar nicht. Vielleicht werde im Sommer, zum Halbjahresfazit, die Entscheidung überdacht, so Anke Preuß. Sie appelliert vielmehr ans Land, das Gesetz noch einmal zu überarbeiten. Und zwar so, dass jede Kita gemeinsam mit den Elternräten vereinbaren kann, wie sie die Vollverpflegung umsetzt. Ausschussvorsitzender Peter Brill kündigt an, das dem Sozialministerium in einem Brief vorzuschlagen. Sicherheitshalber fragt er noch einmal: „Mehr können wir auf kommunaler Ebene nicht tun?“ Ein Blick zu den Kita-Trägern, ein Blick zur Jugendamtsleiterin. Kopfnicken. „Mehr können wir auf kommunaler Ebene nicht tun.“