Mit der Waschmaschine in die Schuldenfalle

  • Kuska
Gemessen am Bedarf könnten in der Schuldnerberatungsstelle Lichtblick doppelt so viele Mitarbeiter arbeiten. Gemessen am Geld reicht es nur für drei. Gemessen am aktuellen Stand der Dinge ist die Zukunft des Hilfsangebots noch ungewiss.
05.02.2015
Sylvia Kuska

236 Euro Monat für Monat. Bei einer Rente von 733 Euro. Frau B. sah keine andere Wahl. Anders als mit der Null-Prozent-Finanzierung hätte sie ihre kaputte Waschmaschine nicht ersetzen können. Seit der letzten Betriebskostenabrechnung ist das Konto im Minus. Da kommt das Angebot der Finanzierungsbank, aus ihren beiden Raten- und Dispokrediten einen zu machen, gerade recht. Die Erhöhung der Kreditsumme auch. So kann sie ihre Tochter beim Umzug unterstützen. Später macht ihr die Bank noch mal ein Angebot, inklusive zweier Lebensversicherungen. Am Ende sind aus den 236 Euro mehr als 300 geworden. Viel zu viel für die Rentnerin.

Ein Einzelfall, den Siegfried Jürgensen skizziert? „Ein Beispiel von vielen“, sagt der Leiter der Schuldnerberatungsstelle Lichtblick. Sie ist die einzige kostenlose und vom Land als geeignet anerkannte Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle in Schwerin. Am Dienstag zog ihr Leiter ein Fazit des vergangenen Jahres.

Das lässt sich auf drei Nenner bringen. Erstens: „Der Beratungsbedarf in Schwerin ist unverhändert hoch.“ Zweitens: „Die Schuldenfalle schnappt besonders häufig in der „Rushhour“ des Lebens zu“ – in jener Lebensphase also, in der Hausbau, Karriere, Familiengründung zu einem hohen Finanzbedarf führen. Drittens: „Nur jeder Zweite kommt aus eigenem Antrieb zur Beratung.“ In den anderen Fällen seien Freunde, Familie, Chefs oder Vermieter die treibende Kraft.

Auf dem Weg zu den Schuldnerberatern fährt so mancher noch in die Steinstraße. Dort saßen sie bis zum Jahresende. Dann drohte ihnen das Aus. Das Land wollte seine Fördermittel reduzieren, 20.000 Euro weniger ausschütten. Entsprechend hätte sich der Eigenanteil des Trägers erhöht. Im Herbst, kurz vor knapp, ein Kompromiss für 2015: Die Förderung  bleibt gleich, das Personal wird auf drei Berater reduziert, die Beratungsstelle zieht in städtische Räume, sitzt jetzt im gleichen Haus wie das Flippermuseum.

Weniger Personal. Mehr Fälle. Komplexere Fälle mit bis zu 50 Gläubigern. Ergebnis: „Für jeden Klienten bleiben uns gerade einmal 4,5 Stunden Zeit im Jahr“, sagt Jürgensen. 4,5 Stunden für Erstgespräch, Erfassung im Computer, Verhandlungen mit Gläubigern. „Das ist auf Dauer nicht zu machen“, sagt Thomas Tweer, Geschäftsführer der Diakoniewerk Neues Ufer gGmbH. Seine Hoffnung als Träger der Beratungsstelle: „Das Land überarbeitet endlich die Förderrichtlinie." In der jetzigen sei sogar noch von DM die Rede.

Gibt es schon einen Lichtblick für 2016? Einen Lichtblick nicht, sagt Thomas Tweer. Aber viele Gespräche. Ihr Ausgang: noch ungewiss. Fest steht für ihn jedoch, am 30. Juni 2015 ist Deadline. „Wenn die Finanzierung bis dann nicht steht, schließen wir Ende des Jahres.“ Bedarf hin, Bedarf her. 

Ein bisschen Statistik

  • Im vergangenen Jahr betreuten die Mitarbeiter rund 800 Klienten. Hinzu kommen 640 Kurzberatungen.
  • Insgesamt betrug der Schuldenberg 2,45 Millionen Euro.
  • Die häufigsten Gründe für Überschuldung: Scheidung, Krankheit, Arbeitslosigkeit. Besonders häufig betroffen sind Singles und allein erziehende Mütter.
  • Gut die Hälfte der neuen Klienten sind zwischen 28 und 45 Jahre alt.
  • Die Beratungsstelle finanziert sich über drei Säulen: Bis zu 50 Prozent trägt das Land, 45 Prozent kommen von der Stadt. Der Eigenanteil vom Diakoniewerk Neues Ufer liegt bei mindestens fünf Prozent.
  • Kontakt: 0385/5812776