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Das Bild gegen den Mindestlohn...
Der Ministerpräsident lässt normalerweise keine Gelegenheit aus, um für den Mindestlohn zu werben. Mit einer Ausnahme. Einmal im Jahr wird Sellering vom Verband der Zeitungsverlage Norddeutschlands eingeladen. Er hält dann ein Grußwort, ehrt die Zusteller und lässt sich mit den Geehrten fotografieren. An diesem Tag erzählt er, wie er seiner Großmutter früher beim Zeitungsaustragen half, dass er großen Respekt vor der Arbeit habe. „Zeitungsaustragen ist ein echter Knochenjob – gerade über so eine lange Zeit.“ So oder ähnlich wiederholt er das jedesmal.
Nur: Für den Knochenjob gibt es keine 8,50 Euro. Die Verlage zahlen Stück- und Wegelohn, berechnen die Zahl der Briefkästen, vergleichen mit Routen und wägen mit der Beschaffenheit des Geländes ab, bis ein Betrag deutlich darunter herauskommt. Die Verlage fordern eine Ausnahme vom Mindestlohn - und sei es wegen der Pressefreiheit. Die Verlage verweisen darauf, dass die meisten Zusteller geringfügig Beschäftigte, Rentner und Minijobber seien.
Dass der Mindestlohn eigentlich für alle Arbeitnehmer gelten soll, wird nicht gesagt. Auch von Erwin Sellering nicht. Einmal im Jahr. Und in diesem Jahr ausgerechnet an jenem Tag, an dem im Bundestag erstmals über das Gesetz debattiert worden ist. Über 8,50 Euro.