Bahnhof ohne Züge

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Ortstermin: Schweriner Hauptbahnhof, Mittwoch, 15 Uhr. Hier wird gestreikt - und zwar so, wie man sich das in Mecklenburg vorstellt.
16.10.2014
Matthias Hufmann

Das heißt: Bloß keine Hektik. An Gleis 3 stehen vier Streikende - zu erkennen an den Folienwesten mit GDL-Aufdruck - und klönen mit einer Servicekraft der Bahn. Ein junges Mädchen hat es sich auf dem Boden bequem gemacht. Ansonsten ist der Bahnsteig verwaist. 15.13 Uhr: Der Regionalzug nach Ludwigslust fällt aus. Ebenso der Intercity um 15.22 Uhr nach Frankfurt. Schwerin wird zum Bahnhof ohne Züge. An normalen Tagen würden die Passagiere jetzt einsteigen, um nach der Arbeit nach Hause zu fahren. Am Mittwoch fehlen selbst die Passagiere.

Die meisten haben ihren Heimweg vermutlich anders organisiert. Fahren mit dem Auto, nehmen den Bus. Vor dem Infostand in der Eingangshalle stehen 30, 40 Menschen und suchen Rat. Wie kommen wir von hier weg? Die Antwort lautet: Mit dem Taxi. Im Fünf-Minuten-Takt geht es los. Nach Ludwigslust. Im Großraumwagen nach Hamburg. Die Bahnmitarbeiter prüfen die Tickets, geben Gutscheine aus oder bringen die Bahnkunden gleich zum Fahrzeug nach draußen. Für Taxi-Unternehmen ist so ein Streik ein lohnendes Geschäft.

Für 15.44 Uhr plus 10 Minuten Verspätung ist ein Zug aus Cottbus angekündigt. Ein anderer soll kurz zuvor nach Wismar abfahren. Steht auf der Anzeigentafel. Sagt die Frau am Schalter. Die Schlange vor ihr ist sechs, sieben Meter lang. Die meisten wollen umbuchen, ihr Geld zurück. Gemeckert wird nicht. Auf den Sitzen am Eingang packt ein Kind sein Spiel aus.

In der Bahnhofsmission wartet niemand. Eine Mutter sei mit ihren beiden Kindern dagewesen, so die Mitarbeiterin. Eine Stunde lang. Dann habe ihr Mann angerufen und gesagt, sie sollen nach Rehna fahren. Er wolle sie dort abholen. Aber sonst? Nichts los. „Die Leute kommen gar nicht bis hinten durch.“ Die Infos gibt es vorn im Bahnhof.

Der Streik hat am Mittwoch den Bahnverkehr in MV lahmgelegt. Mehr als 100 Lokführer, Zugbegleiter und Disponenten legten die Arbeit nieder, teilt die Gewerkschaft der Lokführer mit. Die GDL fordert fünf Prozent mehr Geld und eine zwei Stunden kürzere Wochenarbeitszeit.

In Schwerin ist dadurch eine Art Mecklenburger Hektik ausgebrochen.