Visionen unterm Gummibaumdach

  • Sporthotel statt Schwimmhalle? Warum nicht...
  • meinen die Schweriner Architekten Annette Jawi, Gundula Dietrich und Gottreich Albrecht.
  • Eine Skizze des Lageplanes zwischen Lübecker Straße und Lankower See.
  • Ein paar Striche zeigen, wie die lange Fensterfront aufgewertet werden könnte.
  • Dieser Entwurf macht aus der Schwimmhalle eine Mehrzweckhalle. Sport, Feiern, Schwimmen. Es ist Platz für alles.
  • Dieser Entwurf macht aus der Schwimmhalle ein Sporthotel. Außen Zimmer, innen Platz zum Sporttreiben. Turnen, Fechten, Kegeln und Klettern, alles wäre denkbar.
  • Der favorisierte Entwurf. In zwei Dritteln der Halle entstehen Wohnungen. Das andere Drittel bleibt sportlich gesund mit Physiotherapie, Saune und Schwimmbecken.
Dass Visionen zur Wirklichkeit werden, ist Fortschritt. Dass ungewöhnliche Ideen umgesetzt werden, ist selten. Dass so etwas in Schwerin passiert, ist unwahrscheinlich. Und das gleich dreimal nebeneinander ist unglaublich. Trotzdem passiert gerade das, an einem Ort, an dem man es nie gedacht hat.
21.10.2015
Roland Regge-Schulz

In einem Architekturbüro in der Hubertusstraße, hinter dem Lindengarten, liegt die Lankower Schwimmhalle auf dem Tisch. Fotos und Skizzen, Reinzeichnungen und Texte. Von Ideen ist die Rede, die jetzt endlich auch Form gefunden haben, und sei es auch erst mal nur auf dem Papier.
Am Tisch sitzen die Schweriner Architekten Annette Jawi, Gundula Dietrich und Gottreich Albrecht. Sie sind der Kern einer Kammergruppe, die seit Anfang des Jahres für den Erhalt der Schwimmhalle kämpft. Es ist die Einzigartigkeit des Baus, die sie antreibt. Es ist das Dach, das es so nur noch einmal gibt in Mecklenburg-Vorpommern.
Hinter der schlichten Bezeichnung als HP-Schale, schlimmer noch die Langform „Hyperbolische Paraboloidschale“, versteckt sich eine geniale Konstruktion. Der Hallenser Architekt Herbert Müller hatte sich vom Blatt eines Gummibaumes inspirieren lassen und Bauelemente konstruiert, die in jedem Punkt gegensinnig gekrümmt sind. So wie ein Sattel, der sich gleichzeitig unten um den Pferderücken krümmt und oben dem Reiter Halt nach vorne und hinten gibt.
Mit Müllers Konstruktion war es möglich, sehr feste und gleichzeitig leichte Brücken und Dächer mit großem Spannraum zu bauen.
„Das Patent wurde in den Westen verkauft“, sagt Annette Jawi. Die Schwimmhalle in Lankow hat das letzte Dach seiner Art im Land. Denkmalwürdig, befanden die Architekten und kämpften für den Erhalt.
Gottreich Albrecht hält es kaum auf dem Stuhl. Er spricht mit den Händen, kann und will die Freude nicht verbergen, dass es in letzter Minute doch noch gut aussieht für die Schwimmhalle, dass sich mit Ulrich Bunnemann ein Investor für sie gefunden hat.
Dass die Halle keine Schwimmhalle wie bisher bleiben kann, war der kleinen Architektengruppe klar. Die Stadt kann und will und darf sich keine zwei Schwimmhallen mehr leisten. Alternative Nutzungskonzepte mussten her.
Ein knappes Dutzend Architekten setzte sich zusammen und stellte Ideen in den Raum. Ein Sporthotel könnte in der Halle entstehen oder Wohnungen oder eine Mehrzweckhalle für Veranstatungen und Sport. Die Ideen wurden der Oberbürgermeisterin vorgetragen. Aber Angelika Gramkow habe abgelehnt, sagen die Architekten. Jahrelang habe die Stadt schließlich nach einer Idee gesucht und keine gefunden.
Aus heutiger Sicht muss man sagen: Eigentlich war die Idee doch naheliegend. So naheliegend, dass sie unabhängig voneinander dreimal auf dem Tisch liegt.
Da war die Architektengruppe, die jetzt endlich ihre Ideen in klare Zeichnungen umgesetzt hat.
Da ist unser Magazin, das im August unter dem Titel „Ideen statt Abrissbirne“ beschrieben hat, was auf den Zeichnungen zu sehen ist, ohne von den Ideen der Architekten gewusst zu haben.
Und da ist der Investor Ulrich Bunnemann, dessen klares Konzept den anderen beiden gleicht und mit dem Neubau von Häusern auf dem Gelände noch einen Schritt weitergeht. Schließlich muss es sich am Ende ja auch rechnen. Für die Stadt, den Investor und die Schweriner.
Immer spielt der Erhalt eines kleinen Schwimmbeckens mit Sauna und Physiotherapie eine zentrale Rolle. Gepaart mit besonderem Wohnraum.
Was für eine Adresse: Max Mustermann, Schwimmhalle-Lankow, 19059 Schwerin,
Oder: Maria Muster, Unter Herbert Müllers Dach, Mecklenburg-Vorpommern.

Im Lankower Architekturbüro schieben Jawi, Dietrich und Albrecht die Schwimmhalle zusammen. Ein Berg voller Ideen, vager Skizzen und klarer Pläne, voller Hoffnungen und Träume.

Ein paar Meter weiter steht die Schwimmhalle und wartet auf neues Leben unterm Gummibaumdach.