„Bürgermeister Nummer 4, Doktor...“
Der Zweck heiligt die Mittel. Das gilt wohl auch für: „Liebling, ich verrat es dir, jetzt wähl ich Dr. Badenschier.“ Mit solchen Reimen haben Sie auf sich aufmerksam gemacht. Wie kommt man denn bloß darauf?
Rico Badenschier: Wer konkret auf diesen Slogan gekommen ist, weiß ich gar nicht mehr. Zu Beginn des Jahres saßen wir mit unseren Nachbarn zusammen. Irgendwann fiel mir ein Reim ein. Das war der Anfang. Wir sammelten an diesem Abend mehrere Dutzend Vorschläge. Von „Maurer, Tischler und Polier wählen Dr. Badenschier“ bis „Liebling, ich verrat es dir...“. Weil sich auf Badenschier halt so vieles reimt. Wir hatten auch noch Rosenkavalier und Gartenspalier im Angebot.
Und die ständige Betonung Ihres Doktortitels im Wahlkampf. Wessen Idee war das?
Da wurden wir professionell beraten. Der Doktortitel war ein Alleinstellungsmerkmal unter neun Oberbürgermeister-Kandidaten. Wir haben das bewusst eingesetzt. Ich bin aber nicht als Doktor auf die Welt gekommen. In meinem Büro sollen mich die Mitarbeiter mit „Herr Badenschier“ ansprechen, nicht mit „Doktor“. Das habe ich auch schon so mitgeteilt.
Ein paar Reime, der Doktortitel. Allein deshalb wird man nicht gewählt. Weshalb dann?
Im ersten Wahlgang habe ich ungefähr 9500 Stimmen bekommen, im zweiten knapp 20.000. Die eine Hälfte davon hat sich bewusst für mich entschieden, die andere Hälfte hat Frau Gramkow abgewählt. So sehen das auch die Leute. Da brauche ich mir nichts in die Tasche zu lügen.
Im März standen sie bei einer Veranstaltung 90 Minuten lang neben Erwin Sellering. Das Publikum fragte, der Ministerpräsident antwortete. Sie kamen nicht einmal zu Wort. Es wirkte wie – abgestellt. War das der Tiefpunkt in Ihrem Wahlkampf?
Es war ein Tiefpunkt, keine Frage. Als es damals unangenehm wurde, war es zu spät, um sich hinzusetzen und auf Fragen an mich zu warten. Ich musste Lehrgeld bezahlen. Aber lieber im März, als ein halbes Jahr später.
Wann ist Ihnen bewusst geworden, dass Sie trotz Rückschlägen Oberbürgermeister werden können?
Am 4. September nach dem ersten Wahlgang. Bis dahin habe ich gedacht, es ist was drin, aber ich kann auch im einstelligen Bereich landen. Es gab ja keine Umfrage, nichts. Und neben Angelika Gramkow als OB bewarben sich mit Simone Borchardt und Silvio Horn weitere aussichtsreiche Kandidaten. Es war ein Dreierrennen um Platz 2.
Haben Sie gedacht, dass es schwieriger sein wird, in die Stichwahl zu kommen, als diese zu gewinnen?
Ja. Es gab eine Wechselstimmung. Immer wieder sprachen die Menschen vom Missbrauchsskandal bei Power for Kids und der Gleisverlegung am Wittenburger Berg. Mehr als einmal haben sich Wähler bekannt, das erste Mal ein Kreuz bei der SPD setzen zu wollen.
Die Stichwahl ist fast einen Monat her. Wie haben Sie sich seither auf die neue Aufgabe vorbereitet?
Gespräche, Gespräche, Gespräche. Mit den Dezernenten. Mit dem Kämmerer. Mit Frau Gramkow. Ich habe vor allem die Strukturen in der Stadtverwaltung kennen gelernt.
Werden Sie an den Strukturen etwas ändern? Bleiben Sie als Oberbürgermeister auch Kulturdezernent?
Erst einmal lasse ich alles so, wie es ist. Ich habe einfach zu wenig Verwaltungserfahrung, um gleich etwas zu ändern. Zudem wird auch in anderen Bereichen – Soziales, Wirtschaft etc. – gute Arbeit geleistet.
Und wenn wir in 100 Tagen nachfragen: Was wollen Sie bis dahin erreicht haben?
Wenn wir bis dahin einen Landeshauptstadtvertrag haben, dann wäre das super. Ich werde es mal versuchen.
Vermutlich haben Sie mit dem SPD-Ticket ja bessere Chancen bei der Landesregierung als Ihre Vorgängerin von den Linken…
Könnte man vermuten. Unabhängig von der Parteizugehörigkeit ist es aber ein wichtiges Thema für die ganze Stadt. Wir sollten da dran bleiben.
Was steht noch auf der To-do-Liste?
Der Schulbau in der Lagerstraße. Ende des Jahres sollte man sehen können, dass im Sommer die Schule fertig sein wird. Und wir werden eine Entscheidung zu den Hochhäusern in Lankow treffen müssen. Zwei sollen abgerissen werden, eines bleibt bestehen. So lautet die Beschlusslage der Stadtvertretung. Meine Position dabei ist klar: Ich bin gegen die Privatisierung von städtischem Wohneigentum. Das heißt: Kein Verkauf des dritten Zehngeschossers.
Als es noch nicht um Power for Kids ging oder die verqueren Gleise in der Wittenburger Straße, gab es kaum einen größeren Aufreger als die neue Ausstattung in den OB-Büros. Kosten: 34.000 Euro. Bleiben Sie auf Gramkows Stuhl sitzen?
Neulich hatte ich zwar nach zwei Stunden Rückenschmerzen. Die Ausstattung werde ich aber trotzdem behalten, alles andere würde nur zusätzliche Kosten verursachen.
Mit dem Reimen ist jetzt aber Schluss – oder?
Vorerst schon. Ich könnte aber noch eine ganze Salve abfeuern. Zum Beispiel: „Bürgermeister Nummer 4, Dr. Rico Badenschier.“*
Eine Stunde hatte Rico Badenschier am Mittwoch Zeit für das Treffen im Café Prag. Dann musste er weiter zum nächsten Termin. Die Tage sind vollgepackt. Bis mittags noch Dienst als Radiologe bei Helios („ich habe gekündigt“), ab mittags Vorbereitung auf die neue Herausforderung als OB. Am 1.11. fängt er an. Und was ist mit Harvard? Die US-Hochschule hat ein kostenloses Trainingsprogramm gestartet. Bis zu 300 Bürgermeister aus aller Welt sollen für den Joballtag fit gemacht werden. Drei Tage in New York. Danach über eine Online-Lernplattform. „Ich habe mich einfach mal in die Mailingsliste eingetragen“, sagt Badenschier. „Vielleicht klappt es ja.“
Hintergrund
* Seit 1990: Johannes Kwaschik (SPD), Norbert Claussen (CDU), Angelika Gramkow (Die Linke) und Rico Badenschier (SPD) - Schwerin, deine Bürgermeister: der Hintergrund
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Das Interview mit Angelika Gramkow
TV-Tipp
Der NDR hat den SPD-Kandidaten im Schweriner OB-Wahlkampf begleitet. Thema: Aus dem Beruf in die Politik. Der Beitrag ist am 8. November um 21:15 Uhr in der Sendung Panorama - die Reporter zu sehen.